Sonntag, 31. Oktober 2010

Der Weg zum Glück

Tja, wie fängt man das hier jetzt am Besten an? Vielleicht mit zwei Feststellungen die sich nicht gegenseitig ausschließen:
- Es ist wirklich gut.
- Man sollte Nerven mitbringen.

Um das ein wenig zu erklären: das Stück wirkt ein wenig wie eine Sitzung beim Psychotherapeuten, nur ohne Therapeut. Und man kann wirklich mal zusehen, wie sich jemand argumentativ im Kreis dreht. Das schließt dann auch ein, dass man inhaltlich vielleicht nicht ganz so voran kommt, wie man das von "normalen" Stücken gewohnt ist.

Warum das Stück trotzdem sehenswert ist?
Nun, bei einem Ein-Mann-Stück mit weißer Kulisse bleibt eigentlich nur eine Antwort: Jonas Schütte. Ja, ich bin voreingenommen. Ich habe ihn in den 39 Stufen gesehen und dachte irgendwo zwischendrin "Er wirkt mitunter wie eine junge Version von Klaus Kinski." Und wenn man dem eine gespaltene Persönlichkeit mit Ticks nicht abnimmt, wem dann?
Das ist übrigens tatsächlich meine persönliche Interpretation. Auf der Werbekarte stand was von einem Mann der zu seinem Glück läuft und dabei mit sich selbst abrechnet. Was ich wirklich gesehen habe war eine sehr gut inszenierte gespaltene Persönlichkeit. Und zwar von Anfang an. Mir fehlen um diese Uhrzeit ein wenig die Worte, das plastisch zu umschreiben, aber so wie sich die namenlose Hauptperson zum einen gewundert hat dass seine Beine ihm einfach nicht gehorchen und zum anderen immer wieder unkontrolliert in Happy Birthday ausbrach, lag für mich diese Deutung wirklich nah. Abgesehen davon wird der Monolog mitunter von einer anderen Stimme unterbrochen. Auch wenn immer noch nur eine Person auf der Bühne ist. Also bitte: ich bleibe bei gespaltener Persönlichkeit.

Grundsatzdiskussion beendet. Worum geht es denn nun eigentlich? Also, außer um einen laufenden Mann?
Tja... erm... Um eine verpatzte Begrüßung, unlustige Witze, Selbstreflexion, irgendwie unglücklich endende Erzählungen vom Glück, Neurosen und zwar jede Menge, die Art von schlechten Parties die jeder von uns schon mal erlebt hat und um Geburtstage.

Und das soll man sich ansehen? Bei einer gewissen Grundtoleranz durchaus. Ob man nun Schadenfroh ist, mitleidet, Menschen aus dem eigenen Umfeld wiederfindet oder gar sich selbst: eine leicht fatalistische Grundhaltung und etwas schwarzer Humor und schon kann man hier durchaus Spaß haben. Was dann wieder hilft die eigentlich recht pessimistische Grundeinstellung des Stückes zu verdauen.


Ach ja, zum Schluss vielleicht noch eine kleine Warnung für alle, die genauso wie ich Klippenspringer 8 gesehen haben und sich dachten: hey, kann man sich mal ansehen!
Der Ausschnitt der Klippenspringer befindet sich ziemlich weit am Ende des Stückes. Bis dahin hat Herr Schütte einige Bühnenkilometer hinter sich gebracht und erst mal etabliert, dass dieser junge Mann mit Glück nun wirklich gar nichts anfangen kann und Optimismus beim besten Willen nicht zu seinen Stärken gehört. Wer durchhält weiß also schon mal wofür.
Und wer gerade überhaupt keine Ahnung hat wovon ich rede: einfach mal das Stück ansehen. Der Winter kommt, der Sonnenentzug setzt langsam ein und hier bekommt man eindeutig vorgeführt wann man wirklich mal zum Arzt sollte.
Oder so ähnlich...

Donnerstag, 28. Oktober 2010

Der fröhliche Hypochonder

Es passiert selten genug, dass mir mal wer was im Theater empfiehlt, aber Der Fröhliche Hypochonder war wirklich eine Blankoempfehlung von einer Freundin und was soll ich sagen? Es gibt auch eine Blankoempfehlung von mir!

Und nun ist es natürlich immer auch schön, wenn man das zumindest in Ansätzen begründen kann. Also:

Der fröhliche Hypochonder ist in erster Linie Kabarett, über ein Thema bei dem wirklich jeder in irgend einer Form mitreden kann: seien es nun die eigenen Zipperlein, die Geschichten von Bekannten und Verwandten, Infotainment, Ärzteanekdoten oder Zukunftsängste. Irgendwas ist immer.
Und auch Herrn Straube hat es erwischt. Mit einem etwas schwummrigen Gefühl fängt er erst an die Veranstaltung abzusagen und dann die Wartezeit mit einigen Erkenntnissen zu verkürzen.

Auf der einen Seite ist es so, dass ich wirklich ein paar neue Erkenntnisse gewonnen habe, vor allem was Nordic Walking oder Cholesterin angeht. Auf der anderen Seite kannte ich auch ein oder zwei der Pointen schon. (Und um meine Meinung zu beurteilen sollte man vielleicht wissen, dass ich Ironie, Sarkasmus und Zynismus allgemein zu schätzen weiß und auch nicht weniger Schadenfroh sein kann, als der Nächste...)

Ein oder zwei Lieder flossen auch mit ein. Selbst Fernreisen wurden thematisiert.

Und mittlerweile ist das Stück so lange auf dem Spielplan, dass sich selbst ein oder zwei Zugaben heraus klatschen lassen, wenn man es nur darauf anlegt. Außerhalb der Oper für mich wirklich mal etwas komplett Neues.

So, ausnahmsweise mal wirklich kurz und bündig. Und absolut empfehlenswert. Wenn es einfach mal ein lustiger Abend sein soll ist man hier gut aufgehoben. Außerdem ist Lachen bekanntlich gesund.

Fußnote:
Nach ein wenig Wühlen habe ich sogar das Programmheft wieder gefunden, laut dem die Premiere Ende April 2007 war. Das Stück ist also seit etwa 3 1/2 Jahren auf dem Spielplan. Es ist immer noch gut besucht. Und was sich hält kann ja auch nicht grundlegend falsch sein, gell? Also hin, lachen, klatschen, weiter empfehlen. Hopp hopp.

Fußnote die Zweite:
Natürlich soll auch Erhard Preuk nicht verschwiegen werden, auch wenn seine Auftritte überschaubar sind.


(Und wer den letzten Beitrag gelesen hat kann sich denken was ich jetzt tun werde...)

Ich fühl mich alt!!!

Hilfe, die Büchse der Pandora wurde geöffnet:
Erinnert sich wer an die alten PC-Spiele? Die beliebten Lucas Arts Spiele und... King Quest, Day of the Tentacle, Lion King, Discworld... um nur die zu nennen die mir spontan einfallen. Oh, und die zig Werbe-Point'n'Clicks.

Für einen Abstecher in Erinnerungen und das eine oder andere gemeinfreie Spiel empfehle ich:
http://www.abandonia.com

Und für Jene die lieber Deutsch lesen:
http://www.abandonia.com/de

Hilfe, ich fühle mich alt. Aber jetzt weiß ich womit ich mein Laufwerk-freies Netbook füttern kann.

Ich habe 3 Dizzy Spiele gefunden und weiß nicht mehr welches ich damals gespielt habe! Ich weiß noch nicht mal mehr wo das abgeblieben ist... Und Earth Worm Jim!!! Davon hatte ich doch mal drei Spiele. Wo sind die eigentlich geblieben?

Und selbst für Werbespiele gibt es Archive:
http://www.justadventure.de/---KOMPAKT---/seiten/werbeadventures.php
Visions! Falsches Spiel mit Eddie M...

Ich glaube ich weiß womit ich meine 3 Wochen Lern-Stress-Rehabilitations-Phase füllen werde...

Die Geschichte von den Pandabären

Na dann schauen wir mal ob wir heute noch die eine oder andere Rezension zusammen bekommen.

Und um das ganze einfach zu machen, fange ich mal mit dem letzten Stück an dass ich gesehen habe: Die Geschichte von den Pandabären.


Etwas das man vielleicht vorher wissen sollte:
a) das Stück dauert etwas unter einer Stunde. Also ein vergleichsweise kurzes Vergnügen.
b) Einlass ist etwa fünf Minuten vor Beginn. Frühes Kommen sichert also nur bedingt auch einen guten Sitzplatz.
c) In die Werft passen so schon nicht sehr viele Menschen, aber um das ganze noch ein wenig einzuengen, sitzen dieses Mal alle auf der Bühne. (Kein Witz)

Also gilt für Alle: rein in die Werft, runter die Treppen, ab hinter die Trennwände, rauf auf einen der Stühle und Blick gerade aus auf ein Bett mit zwei schlafenden Menschen.
Und man staune: Die Werft ist zur Abwechslung wirklich mal weiß!

Auftritt eines (etwas verhungert aussehenden) Pandabären, der in einer Ecke hinter dem Schlagzeug verschwindet und... pssst... da wacht wer auf.

Und nach der Klärung der wichtigsten Fragen: Wo sind wir? Wer bist du? Wie sind wir hier her gekommen? Was war gestern? (Und wo ist mein Wecker?) kann es dann wirklich los gehen.
Sie will weg, er lädt sie zum bleiben ein und nach dem Filmriss kann man sich doch im Grunde noch mal neu kennenlernen. Und tatsächlich wird die Idee angenommen. 10 Nächte zum Kennenlernen. Und freilich müssen diese auch irgendwie gefüllt werden...

Also gut, machen wir es kurz:
Wer kein Problem damit hat, einfach mal zuzusehen, wie sich Menschen kennenlernen und die eine oder andere Anekdote aus ihrem Leben erzählen, ist hier gut aufgehoben. Ein bisschen wie Before Sunrise oder Before Sunset, nur beschränkt auf eine Wohnung und mit einem paranormalen Schlenker am Ende.
Auf Letzteres hätte ich verzichten können, auch wenn man sich ohne wahrscheinlich fragen würde, warum man nun zwei Menschen beim flirten zugesehen hat...

Mit einer Mischung aus Neugierde, Humor und vielleicht auch einer kleinen Liebe für die zwei oben genannten Filme kann man sich an diesem Abend tatsächlich gut unterhalten lassen.

Oder das Fazit für Lesefaule:
Zumindest mir hat es gefallen, auf der anderen Seite habe ich aber auch manchmal einen etwas kuriosen Geschmack. Wer einfach mal Menschen beim leben und sich kennenlernen zuschauen möchte, ist hier genau richtig. Wie gesagt, am Ende driftet das ganze ein wenig aus dieser Welt und ab in eine andere, aber gesehen haben kann man es mal.

Montag, 25. Oktober 2010

Petition gegen die Schließung des Thalia Theaters

Weil der eigene Anspruch ja auch irgendwo verpflichtet und vielleicht noch nicht alle von Freunden eine Weiterleitung erhalten haben, hier also auch noch mal von mir der Link:

http://www.openpetition.de/petition/zeichnen/schliessung-thalia-theater-halle-saale

Gegen die Schließung des Thalia Theaters.


Oder um einen Freund zu zitieren der das sehr gut zusammen gefasst hat:

"Mir persönlich würde das Thalia Theater nicht fehlen. Aber jede Theaterschließung ist ein weiterer Sargnagel für das kulturelle Leben. Es machen immer mehr Häuser zu und um Grunde keine neuen mehr auf."

Insofern habe auch ich vor ein paar Tagen unterschrieben. Und vielleicht hat der eine oder andere hier ja auch noch Ambitionen in diese Richtung...

Mal was lebenspraktisches...

Scheinbar sind mal wieder unseriöse Callcenter in Halle unterwegs. Ich wurde heute von so einem angerufen. Und für alle die mal wissen möchten woran man das erkennt oder wie man die Leute noch kurz in den Wahnsinn treiben kann, bevor man ablehnt, hier mal ein paar allgemeine Hinweise:

Werbung und Verkauf am Telefon ist verboten, Markt- und Meinungforschung nicht.
So oder so dürfen die Leute einen NICHT mit unterdrückter Rufnummer anrufen. Das war heute morgen der Fall und ist immer ein Grund vorsichtig zu sein.

Und dann darf einem jedes seriöse Unternehmen folgende Fragen beantworten:
- Wie heißen Sie? (der der Anruft. Gerne auch zum mitschreiben oder Buchstabieren lassen.)
- Von wo aus rufen Sie an? Also Name des Arbeitgebers UND die Anschrift. Bei Bedarf auch die Telefonnummer.
- Wer hat die Studie in Auftrag gegeben? (die möchten manchmal nicht genannt werden, aber irgend eine schwammige Umschreibung findet sich immer)
- Haben Sie da vielleicht eine Telefonnummer oder eine Internetadresse, wo ich mich informieren kann? (gibt es das nicht, die Frage ruhig immer mal wieder wiederholen. Vielleicht fällt denen ja doch noch was ein. Oder sie werden mürbe.)
- Wie sind sie eigentlich an meine Telefonnummer gekommen? (die Antwort lautet so oder so Wissenschaftliches Zufallsverfahren, aber man kann die Leute den Text ja mal runter leiern lassen)

Ruhig nachbohren. Das dürfen die einem alles sagen. Also, zumindest wenn es ein seriöses Unternehmen ist. Und danach kann man immer noch höflich ablehnen, sagen man möchte nicht noch mal angerufen werden UND wenn man sicher gehen möchte schon mal mit Anwalt drohen, falls diesem Wunsch nicht nachgekommen werden sollte.

Ein seriöses Unternehmen wird das alles ruhig über sich ergehen lassen, nett zur Kenntnis nehmen und sein Glück beim nächsten versuchen.

Ein unseriöses Unternehmen wird sich nach der ersten oder zweiten Frage höflich aber schnell verabschieden. Das hat die nette junge Dame heute getan, als ich erst mal fragte, wer das ganze denn in Auftrag gegeben hat.
Die war aus der Leitung bevor ich sonst noch was in Erfahrung bringen konnte...

Also, wenn Unbekannt mal anrufen sollte, ruhig die tägliche Dosis Sadismus an denen auslassen. Selbst schuld wer sich für unseriöse Tätigkeiten her gibt.




Für Fortgeschrittene dann: ein wenig Vorsicht bei den Namen. Mittlerweile gibt es einige "Institute" die so ähnlich heißen, wie real existierende. Hier wirklich nicht verwirren lassen.


Und wovon ich persönlich Abstand nehmen werde sind diese "es sind auch nur drei Fragen" Befragungen. Das heute war auch so eine. Die Intelligenz der Frage war unterirdisch. Und als mich das letzte mal Einer durch so ein Drei Fragen Ding gescheucht hat, wollte mir anderthalb Monate später wer einen Staubsauger für 2000 Euro andrehen. Mit Hinweis auf diese Umfrage. Danke, nicht mit mir.

Das heißt nicht, dass man mit den Leuten und den Fragen da oben nicht noch jede Menge Spaß haben kann. Aber ich bin mittlerweile dazu übergegangen, diese Fragen jedes Mal zu stellen. Es ist wirklich unglaublich wie schnell man einige von denen wieder los wird...

Sonntag, 24. Oktober 2010

Anatevka - Teil 2

Irgendwann wird man betriebsblind. Gerade wenn man so wie ich nebenbei noch zig andere Dinge um die Ohren hat.

Daher hier noch ein kleiner Nachtrag auf die berechtigte Frage: und wie ist Anatevka nun?

Alles beginnt mit dem geschlossenen Vorhang und einer riesigen, vor allem roten Scheibe, welche sich langsam heben. Dahinter wir das Bühnenbild sichtbar, welches wie die meisten Kostüme eher in gedämpften Farben gehalten ist, vor allem braun, grau und schwarz. Allein Herr Köhler sticht in reinem Weiß hervor.

Und nachdem Herr Trekel, bzw. Tevje der Milchmann kurz die Ausgangslage dargestellt hat - der Ort Anatevka und sein seit Generationen gleiches Leben -, werden in einem Hochlied auf die Tradition gleich alle wichtigen Personengruppen vorgestellt:
die alten Männer und die jungen, die alten Frauen und die jungen. Und die örtliche "Polizei".

Und Tevje hat es wirklich nicht leicht getroffen: von seinen fünf Töchtern sind bereits drei heiratsfähig. Abgesehen davon, dass die Mitgift kaum groß ausfallen wird, entwickeln alle drei auch einen eigenen Willen. Tevje mag es ja noch verkraften, dass seine erste Tochter statt dem reichen Metzger lieber den armen Schneider heiraten möchte. Das passt bei näherer Betrachtung auch weitaus eher zu seinen persönlichen Sympathien. Aber dass seine zweite sich in einen jungen Studenten verguckt... nicht nur, dass er absolut unkonservative Ideen hat, er bringt sich auch selbst in größte Schwierigkeiten. Für seine Angetraute wird es da natürlich nicht einfacher... Aber die Wahl seiner dritten "schlägt dem Fass den Boden aus". Vor allem in den politisch immer angespannter werdenden Verhältnissen...

(Man will ja auch nicht alles verraten, auch wenn außer mir wahrscheinlich die meisten die Handlung eh kennen.)

Absolute Glanzmomente waren die Kostüme. Was so ein bißchen Bart ausmachen kann ist wirklich verblüffend. Die meisten der männlichen Darsteller erkennt man erst auf den zweiten Blick wieder.
Und wie Tevje seine Frau davon überzeugt, dass er auch seiner zweiten Tochter nach deren Wünschen verloben möchte war... auf jeden Fall... ja, doch, überzeugend.

Und auch wenn es sich hier um eines der aufwändigeren Bühnenbilder handelt, muss ich ehrlich sagen, dass ich immer wieder beeindruckt bin, wie man mit sehr wenigen Mitteln immer wieder eine vollkommen andere Umgebung erzeugen kann.

Ach ja, und ich hatte neulich in der Oper ein erhellendes Gespräch darüber, was an dem Verzicht auf Mikro-Ports nun so grundlegend beeindruckend und richtig ist:
es geht um den Purismus, die gute Vorbereitung der Zuschauer und die Idee sich das Ganze notfalls eben einfach noch mal anzusehen.
Nach dem Vorschlag selbst auf elektrisches Licht zu verzichten und nur noch mit Kerzen zu beleuchten, komme ich mir mit dem Vorschlag einer "historischen" Opernvorstellung mit Gauklern zwischen den Akten nicht mehr gar so seltsam vor. Da gibt es nur zwei Dinge, die das Bild ein wenig trüben: Ich hab das eher mit einem Augenzwinkern gemeint. Kein Mensch würde so etwas inszenieren. Und schon allein mit der Drohung das Publikum wieder mitsingen zu lassen, würde ich mich freiwillig von der Idee abbringen lassen. Und es gibt wohl wirklich Menschen, die diese Kerzenidee umsetzen... Ich versuche immer noch die Wachskosten zu überschlagen, mir die Panik der Brandschutzbeauftragten vorzustellen und die optische Wirkung zu kalkulieren...

Also gut, zusammengefasst: ja, ich bin ein Banause. Ich bereite mich nicht auf so einen Abend vor, lese mir vorher nichts an und möchte wenn ich da bin wirklich was verstehen. Es geht alles in allem auch ohne Mikro-Ports. Nicht immer ganz glatt, aber es funktioniert. Es verschließt sich mir im Grunde immer noch. Aber wenn Puristen und Kenner darauf bestehen, dann jedem das Seine.

Die einzigen zwei Dinge, die im Nachhinein wirklich ein wenig negativ im Gedächtnis geblieben sind, wären zum einen das Programmheft und ein bestimmtes Lied.
Fangen wir mit dem Programmheft an: die historischen Aspekte waren durchaus interessant. Auch die kulturellen Fußnoten waren nett. Aber für ich wären ein paar mehr Informationen über eine jüdische Hochzeit interessant gewesen. Jaja, das kann man sich auch alles zuhause anlesen. Aber wenn ich schon mal da bin, mir so ein Heft hole und die Hochzeit so eine große Rolle in dem Stück spielt, hätte ich mir dafür auch zu der Zeremonie noch ein paar vor Ort Informationen gewünscht. (Warum ist dieser Baldachin so wichtig?)

Und wegen dem Lied... nun, sagen wir einfach: auch wenn ich für Illusionsbrechungen prinzipiell empfänglich bin, möchte ich mir in der Oper keine Gedanken machen, ob mir gleich ein Darsteller auf die Füße tritt. Das ist etwas zu viel Brechung. Für meinen Geschmack.
(Keine Sorge, wer es sieht wird wissen was ich meine und wo ich in etwa gesessen habe. Vielleicht sieht es von weiter Hinten wirklich gut aus, aber... naja.)

So, und jetzt ist mir ausnahmsweise mal was Privates dazwischen gekommen.
Also wird das heute wieder nichts mit Rezensionenschreiben...

Naja, die Eine wollte ich noch online stellen. Geklappt hat es. So mehr oder weniger.
Und an dieser Stelle noch einen guten Start in die Woche an Alle.

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Heute mal zwei kleine Perlen, die mir durch Zufall im Internet über den Weg gestolpert sind.

Das erste ist ein sehr schöner Artikel auf Heisse:
There is no Wirtschaftsminister

Und das zweite ist was für die humorvollen Spielkinder und Physiker hier:
Einfach mal Amazon nach dem folgenden suchen lassen:
Wenger Schweizer Offiziersmesser Giant Messer, mit Schatulle
Und wer schon nach dem Bild den Unterkiefer nicht mehr hoch kriegt, sollte dringend mal die Rezensionen durchschauen. (Ich wußte bisher nicht das Amazon Scherzrezensionen erlaubt, aber einige davon sind wirklich genial.)

Und mit diesem Beitrag zum selbsterfundenen Welt-Prokrastinationstag verabschiede ich mich vorerst wieder. Schon einmal einen schönen Start ins Wochenende an alle.

Montag, 11. Oktober 2010

Anatevka

So, da war es also heute so weit: Anatevka, die erste Vorstellung nach der Premiere. Und da heute bei den Klippenspringern einfach kein Platz mehr frei war, gibt es auch mal halbwegs zeitnah eine Rezension.

Tja, und wie machen wir das heute? Kommen wir erst mal zum Stück und dann hätte ich gerne mal einen Grundkurs Opernknigge oder ein paar allgemein Tipps.

Also: die erste Frage die meine Mutter mir heute stellte war "Wer ist Anatevka?" und die einfache Antwort lautet: es handelt sich um den Ort in dem das Stück spielt.
Der Untertitel The Fiddler on the Roof bezieht sich auf einen echten Geiger, welcher angeblich auf den Dächern spielt. Und der Geiger ist gleich mehrfach wichtig: er spielt eines der Motive des Musicals, führt auf seine Art die Paare zusammen, markiert die Unterschiede zwischen Außen- und Innenansicht und verkörpert das Thema des gesamten Stückes: "Wir alle sind Fiedler auf dem Dach. Wir versuchen eine ansprechende Melodie zu spielen, ohne uns dabei das Genick zu brechen." (ungefährer Wortlaut)
In diesem kleinen Ort Anatevka herrscht noch immer die Tradition. Und während die Zustände für die ansässigen Juden nach und nach schlimmer werden, beginnen auch die hergebrachten Bräuche zu bröckeln. Auch der Milchmann Tevje muss sich langsam damit abfinden, dass seine Töchter ihren eigenen Weg gehen, nicht unbedingt zu seiner Freude. Auch wenn man fairerweise sagen muss, dass sich Tevje mit den meisten familiären Entwicklungen zu arrangieren versteht.

Aber auch hier sollte man grob wissen auf was man sich einlässt. In der Pause habe ich aus einer Ecke gehört, die dargestellten Pogrome wären etwas, das Betroffenheit und Unwohlsein ausgelöst hat. Mir persönlich hat besonders die Vergewaltigungsszene auf den Magen geschlagen. (Es ist auch offen gestanden nichts, was ich auf der Bühne oder anderswo sehen möchte. Auf der einen Seite kann man das Thema kaum angemessen in dem Zeitrahmen verhandeln. Auf der anderen Seite passiert in diesem speziellen Handlungsstrang so viel hinter der Bühne, dass man sich die angemessene Behandlung "dazu denken" kann. Ich muss es trotzdem nicht sehen. Und das war diese Spielzeit schon das zweite Stück in dem so etwas vorkam...)

So, und jetzt kommen wir mal bitte zu dem Teil, in dem Alle eingeladen sind, mir die Operngeflogenheiten zu erklären:

Das begann mit der Dirigentin. Ich habe von so was keine Ahnung, aber angeblich ist für Frauen nur die Berufswahl als Päpstin schwerer zu verwirklichen. Mir ist es herzlich egal. Gut klingen sollte es. ABER: ich bin bisher auch immer davon ausgegangen, dass der Dirigent kommt, von einem Spot erfasst wird, man klatscht und los geht es. Das Klatschen fiel dieses Mal komplett weg. Und ich verstehe nicht so ganz warum. Sind das nicht normalerweise schon mal Vorschusslorbeeren für die Musiker, die man kaum sieht, aber eben hört und die sonst so gut wie gar kein Lob abbekommen würden? Und es ist auch so ein "jetzt geht es gleich los" Moment.
Also was bedeutet das normalerweise und warum fiel es dieses Mal weg?

Zweitens: heute hat in meiner Nähe niemand mitgesummt, dafür saßen hinter mir zwei Damen, die jeden Darsteller erst mal mit Namen identifizieren mussten.
Erstens wären für mich persönlich die Figurennamen hilfreicher gewesen und zweitens dachte ich immer in der Oper ist man still... Naja, das war nicht immer so. Die Zeiten in denen laut mitgesungen wurde sind zum Glück vorbei. Die Idee mit Gauklern und Akrobaten zwischen den Akten noch Zuschauer anzulocken hat zwar nach wie vor etwas für sich. Aber eher als nostalgisches Erlebnis, denn als echte Unterhaltung.
Aber wenn sich die allgemeinen Sitten in der Oper schon einmal geändert haben: vielleicht tun sie es ja gerade wieder. Wenn dem so ist darf mich gerne mal jemand auf den neuesten Stand bringen.

Tja, und normalerweise sind aller guten Dinge drei. Nur fällt mir gerade nicht ein was ich noch sagen wollte.
Daher ein großes Lob an die Visagisten. Es ist nicht nur faszinierend, wie man Menschen mit etwas gut platzierter Farbe um Jahre altern lassen kann, ich habe teilweise auch einen Moment gebraucht um die Gesichter wieder zu erkennen. Das lag nicht nur am Makeup, sondern auch an den vielen Vollbärten. Allein das Gesicht von Herr Köhler hatte latente Ähnlichkeit mit einem gepuderten Igel. Vielleicht hatte ich auch mal wieder Flecken auf der Brille. Wer weiß...

Doch, jetzt ist mir der dritte Punkt eingefallen.
In jeder Einführungsmatinee entlockt es dem Publikum einen Applaus, wenn die Sänger ohne Mikrofonunterstützung singen sollen. So passiert in der Einführungsveranstaltung zur Blume von Hawaii und in der Einführungsveranstaltung zu Anatevka.
Und nun habe ich wie gesagt nicht die größte Ahnung. Ja, ich finde es menschlich faszinierend, dass Manche ohne technische Unterstützung ein ganzes Orchester übertönen können und immer noch erkennbare Melodien produzieren. Ich fände es noch faszinierender, wenn das alle auf der Bühne könnten.
Ganz ernsthaft: zum Teufel mit den künstlerischen Ambitionen. Ich will verstehen was da auf der Bühne passiert. Und wenn ich aus der ersten Reihe Probleme habe die Menschen akustisch wahr zu nehmen, wird das für die hinter mir nicht einfacher.
Dann sollte man den Leuten wirklich eher ein Mikro an die Backe kleben, als sich an die eigenen Ansprüche klammern. Das ist nur meine Meinung. Wahrscheinlich habe ich gerade wieder einen Fettnapf mitgenommen. Aber bitte. Was soll das denn?

Der Rest ist persönliche Meinung.
Ich persönlich hätte mir eine andere Besetzung für Golde gewünscht. Ich mag Frau Bernsdorf. Ich möchte die Liederabende mit ihr wirklich nicht missen. Aber irgendwie hatte ich wiederholt das Gefühl ihre Stimme sticht zu sehr von den Melodien ab. Mir fehlt das Fachvokabular um das besser zu beschreiben. Aber wenn selbst mir das auffällt ist wahrscheinlich wirklich was faul.


Und natürlich ist auch das nur meine persönliche Meinung. In der Pause habe ich auch ein oder zwei andere negative Meinungen zu Einzelleistungen oder den Umbauarbeiten in der Oper aufgeschnappt, die ich hier nicht wiederholen möchte, einfach weil ich sie nicht Teile. Das Stück hat unterm Strich sehr gute Rezensionen bekommen. Das was da oben steht sind Kleinigkeiten. Mir hat das Stück weitaus besser gefallen, als es jetzt in dieser Rezension möglicherweise den Eindruck macht.
Es ist ein ernstes Thema, unterlegt mit guter Musik. Jedes Mal wenn man denkt es geht aufwärts passiert ein weiteres Unglück. Und auch wenn ich das natürlich nicht zugeben würde, ist es möglich, dass mir zwischendurch die Tränen in den Augen standen.

Mit diesen Worten lasse ich es an dieser Stelle bewenden.
Sehenswert ist es. Aber keine leichte Kost.

Samstag, 9. Oktober 2010

Max Raabe im cCe in Leuna

Wow. Einfach nur wow.

Überspringen wir heute mal die durchaus interessante Bahnfahrt durch Schkopau, Merseburg und Leuna. Teile der Welt die ich aus der Perspektive schon ewig nicht mehr gesehen habe.

Am Ende ärgere ich mich nicht einmal mehr über die etwas suboptimale Havag. (Ich war eine Stunde vorher da, denn mit der Bahn danach hätte ich schon wieder zu sehr hetzen müssen.)

Es war einfach ein wundervolles Konzert. Eine bemerkenswerte Mischung aus Liedern die ich schon kannte und einigen die zumindest mir bisher unbekannt waren.
Und auch der Rest war einfach beeindruckend. Da steht dieser dünne Mann - Max Raabe - vor einem Mikrophon, bewegt den Kopf mal hier mal da hin, hebt von Zeit zu Zeit die Augenbrauen, bewegt den Kiefer und dann kommen aus diesem Menschen diese Töne heraus. Man sieht ihn noch nicht einmal sonderlich viel atmen. Er steht einfach da und singt seine Lieder mit diese leicht entschleunigten Art, die so gut zu jenen Vorlagen passt die das Programm ausmachen.
Das ist definitiv ein Erlebnis für sich. Und meine Befürchtungen in Sachen Akustik waren vollkommen unbegründet.
Der Toningenieur hat sein Handwerk eben so gut verstanden wie der Lichttechniker.
Das Licht ist auch so ein Thema für sich. Jeder der gerade sein/ ein Instrument spielt (oder im Fall von Max Raabe singt) bekommt einen Spot. Der Rest liegt eher im Dunklen. Das ist eine absolut brilliante Art der Aufmerksamkeitslenkung, die dafür sorgt, dass man sich wirklich auf die Stelle konzentriert an der gerade "die Musik spielt".
Dazu noch eine Portion speziellen Humor...

Die einzige Beschwerde die ich habe, ist dass das Programm definitiv zu kurz war. Ich habe nicht gemerkt wie die Zeit vergangen ist. Und sie haben sich am Ende doch reichlich bitten lassen, noch eine Zugabe zu geben. Dafür habe selbst ich mal warme Hände - dank ausreichendem Klatschen. Irgendwie musste man ja argumentieren...

Jaja, ich hätte mir das Programm auch gerne an einem Veranstaltungsort in der Nähe angesehen. Aber unterm Strich war es gar nicht so schlimm. Es gehört halt irgendwie mit zum Erlebnis.

Nur eines hat mich wirklich gestört hat und diese Unsitte scheint immer weiter um sich zu greift: einzelne Gäste fingen an Lieder mitzusummen.
Ich meine, auf der einen Seite spricht das natürlich für das Lied. Aber bei einem Konzert, einem Liederabend oder im Musical (die drei Situationen wo ich mittlerweile schon neben solchen Summwundern saß, die es wahrscheinlich selbst noch nicht einmal mitbekommen haben...) bezahle ich dafür, von den Leuten auf der Bühne unterhalten zu werden. Ich weiß, es gab Zeiten, in denen es auch in der Oper vollkommen normal war mitzusingen. Und zwar laut.
Aber die Zeiten sind nicht ganz grundlos vorbei...

Naja, es war ja nur ein Lied. Ich lasse mir davon nicht den heutigen Abend vermiesen. Es war wirklich wunderbar. Akkustisch beeindruckend. Mit genau der Art von Humor die ich mag, professionell auf die Bühne gebracht.

Sollte sich die Gelegenheit ergeben, werde ich mir so ein Programm sicher noch einmal ansehen. Wenn vielleicht auch für etwas weniger Geld. Und etwas mehr in der Nähe. Und mit vielleicht etwas jüngerem Publikum...

Fazit auf jeden Fall: hochgradig sehenswert. Wirklich schön. Gerne noch mal.

Und ich hau mich jetzt in die Falle, bevor ich anfange mich im Halbschlaf selbst zu wiederholen...

Bis denne und schönes Wochenende an alle.

Freitag, 8. Oktober 2010

Du mußt die Männer schlecht behandeln

Mitunter bin ich sehr leicht davon zu überzeugen mir doch einfach noch eine Karte mehr zu holen. So passiert bei Du musst die Männer schlecht behandeln. Den Liederabend selbst hatte ich vor Monaten schon einmal gesehen. Und die Zusammensetzung ist wirklich gut.

Das Argument, dass mich bewogen hatte am 5.10. noch einmal hin zu gehen, war ein denkbar einfaches: noch bis Januar kann man Frau Deibele neben Frau Bernsdorf bewundern und erst danach übernimmt Frau Lex den Part von Frau Deibele. So hat man mir das zumindest beim Kartenverkauf erklärt und ich habe zugeschlagen.

Möglicherweise auf Grund des Titels waren die anwesenden Männer eindeutig in der Unterzahl. Was eigentlich schade ist, da das Operncafé für eine entspannte Abendvorstellung wirklich gut ist. Wer rechtzeitig kommt hat alle Zeit der Welt sich einen Platz zu suchen, ein Getränk zu bestellen und schon mal die kleinen, ausliegenden Programmzettel zu studieren, was ihn denn heute Abend erwartet.
Einigen wir uns der Einfachheit halber auf eine Mischung aus nachdenklich, schwungvoll, frech, lustig und teilweise sogar mir bekannt.

Das Einzige was man vielleicht vorher wissen sollte, ist dass man auch als Frau gut beraten ist ein klein wenig Selbstironie mitzunehmen. Mein persönlicher Lieblingssatz ist nach wie vor: "Frauen lügen nicht. Sie erfinden allenfalls die Realität die sie brauchen."

Keine erfundene Realität war das Bühnenbild (ich weiß, es gibt Überleitungen, für die verdient man es fast erschlagen zu werden... also weiter). In der Mitte steht das Klavier, auf welchem Tino Fiebig den Ton angibt, die beiden Damen haben etwas erhöht links und rechts davon einen eigenen Schminktisch und dahinter stand eine Art Schrank mit Kleidern, Hüten und anderen unverzichtbaren Frauenaccessoires.

Und man hat den beiden Damen durchaus angesehen, dass sie ihre Freunde hatten. Kein Wunder. Das Stück lässt immer noch ausreichend Raum für Verwandlungen. Ob Vamp, verschnupftes Fräulein, Fan des Pleistozän, Circe, Liebeskranke oder Shoppingenthusiast: alle Verwandlungen waren schnell, sympathisch gespielt und mitunter auch mit einem kleinen Augenzwinkern versehen.

Wer also an einem Abend mal entspannt Liedern lauschen möchte und nebenbei auch nichts gegen ein oder zwei Lacher hat, ist hier gut aufgehoben.

Und wer sich für das Konzept des Liederabends begeistern kann, kriegt an dieser Stelle noch ungefragt zwei Empfehlungen von mir dazu:
Du musst die Männer schlecht behandeln ist wie der Titel schon andeutet eher aus der Frauenperspektive. Noch mit Frau Bernsdorf und Frau Deibele. Ab Januar dann mit Frau Bernsdorf und Frau Lex. (Und hier lieber vorher Karten besorgen, letzte Spielzeit war öfters ausverkauft.)
Das gleiche Konzept aus der Männerperspektive heißt Greife wacker nach der Sünde. Die Wiederaufnahme ist am 10.12.10 und wie der Titel schon andeutet ist die Herangehensweise etwas zupackender. Es gibt drei Musiker, die Solisten sind Herr Kuhn und Herr Köhler und auch diese Beiden greifen zwischendurch zu Instrumenten. Dieses Programm findet in der Werft der Kulturinsel statt.
Und wieder im Operncafé findet Du sollst nicht lieben statt. Dabei handelt es sich um einen Georg Kreisler Abend, bestritten von Frau Bernsdorf und Herr Vogel. Das Bühnenbild ist eher minimal (wenn ich mich recht erinnere), der Humor entsprechend an Kreisler angelegt und es gibt mit gutem Willen auch eine Handlung, namentlich wie sich ein Paar findet und versucht zusammen zu bleiben. Diese Wiederaufnahme findet am 25.11.10 statt.

Ich finde die drei Stücke gehören irgendwie zusammen und wenn man mit einem etwas anfangen konnte, kann man sich die anderen ruhig auch ansehen.

Montag, 4. Oktober 2010

Der Theatermacher

Irgendwie geht das nie gut, wenn ich mit wie auch immer gearteten Erwartungen ins Theater gehe...

Beim Theatermacher war es so, dass mir ein Freund schon vor Wochen erzählte, das Stück stehe diese Spielzeit in Erlangen auf dem Plan. Er muss interessiert gewesen sein, sonst hätte ich mir das wahrscheinlich nicht gemerkt. Dann habe ich mitbekommen, dass es auch in Köln gespielt wird. Und eben hier in Halle. Mit mit dem sicherlich auch irgendwie richtigen Hintergedanken "Wenn es auf so vielen Spielplänen steht muss es etwas haben...", habe ich mir dann auch eine Karte besorgt.

Um eines vorneweg zu sagen: Samstag war ausverkauft. Ab Viertel vor um waren zusammenhängende Sitzplätze nur noch mit viel Basteln zu haben. Und der Großteil aller Anwesenden war merklich älter als ich. Ich frage mich immer noch, ob das Stück einen bestimmten Ruf hat, von dem ich mal wieder nichts weiß...

Naja, kommen wir erst mal zur Handlung:
Der "große Bruscon" ist samt Familie in Utzbach. Der Ort selbst hat 280 Einwohner. Und vorerst sind diese mit dem Blutwurststopfen beschäftigt, können also wenig Zeit für Bruscon und seine Allüren opfern.
Das ist auch nicht weiter schlimm. Bruscon ist weit genug von sich selbst eingenommen um einen sehr großen Teil des Stückes mit Monologen über Kunst, Anspruch, Anekdoten und Vergleichbarem zu füllen.
Der Rest schaut konsterniert, verwirrt oder resigniert. Und erträgt Bruscon wie eine Naturgewalt...

Wird hier schon langsam ersichtlich, dass ich mit dem Stück nicht so recht etwas anfangen konnte?
Wobei das mal wieder subjektiv ist. Die meisten Anwesenden waren merklich älter als ich und hellauf begeistert. Vielleicht fange ich ab 2030 also auch an das Stück spontan toll zu finden.

Und bis dahin betrachte ich etwas irritiert, was sich da vor meinen Augen abspielte.

Bevor es in die Vollen geht noch eine Kleinigkeit zum Bühnenbild: der Raum in welchem Bruscon auftreten soll, wurde schon eine längere Weile nicht mehr genutzt. Und das ist ein sehr schöner Euphemismus für "schon ewig nicht mehr gekehrt, vollkommen verstaubt und mit Spinnweben überwuchert."
Die Begeisterung auf Seiten der Schauspielerfamilie hält sich entsprechend in Grenzen, zumal Bruscon ausgerechnet hat, dass wahrscheinlich nicht mal die Umkosten herein kommen werden.
Aber selbst das ist nicht die eigentliche Problematik. Das Notlicht! Es muss dringend beim großen Finale ausgeschaltet sein. Sonst würde sich die Komödie in eine Tragödie wandeln...

Und ab hier können wir mal auf das zu sprechen kommen, was mich an diesem Stück wirklich stört:
Wen zur Hölle kümmert so ein Notlicht?
Jaja, da war mal ein Theaterskandal, weil jemand das Notlicht in einem Theaterstück nicht ausschaltete, obwohl der Text es doch vorschrieb.
ABER:
Wen kümmert so ein Blödsinn überhaupt? Sollte es nicht um Inhalte gehen?

Jaja, ich weiß, wer was finden will finde immer auch was. Aber die MZ hat diffus über eine aktuelle Theaterkritik geschrieben. Frei nach dem Motto: für wen spielt man heute und was? Und wie bringt man die Leute dazu zu kommen?
Wie man die 280 Anwohner ins Theater bekommt ist in dem Stück einfach kein Thema. Bruscon ist viel zu sehr damit beschäftigt sein eigenes Ego zu pflegen. Er tyrannisiert seine Kinder, aalt sich in vermeintlichen vergangenen Erfolgen, manipuliert und spielt seine Familie gegeneinander aus, beleidigt aus Prinzip alles und jeden, lobt sich selbst in den Himmel und demonstriert erfolgreich ein fehlendes Verständnis für Pädagogik.
Aber nichts davon wird problematisiert. Es wird einfach gezeigt und Brusco darf sich als Ekel profilieren.

Ich habe gestern wirklich neben einer Dame gestanden, die argumentiert hat, das Stück wäre lustig.
Aber es tut mir leid, das ist es nicht.
Nur weil ein oder zwei der verbalen Entgleisungen wirklich zünden heißt das noch lange nicht, das Stück selbst wäre gut. Es ist größtenteils nicht lustig. Jemand zu meiner Rechten hat in (!) der Vorstellung richtig angemerkt, die Hauptfigur nerve einfach nur.
Um solchen Menschen zuzusehen, brauche ich wie die meisten nicht extra ins Theater zu gehen.
Und wie viele habe ich sehr große Probleme solche Leute auf Dauer ernst zu nehmen.

Freilich, das liefert im Grunde die Definition einer Parodie. Das Problem daran ist nur, das Bruscon wenig über das Publikum sagt, sondern sehr viel über seine Einstellung zum Theater. Aus der Theaterperspektive ist das Stück eine einzige Nabelschau. Und da ich bisher noch nie eine Probe live gesehen habe und auch sonst wenig in den Theatergepflogenheiten drin stecke, kann ich damit nur bedingt etwas anfangen.

Damit wir uns an dieser Stelle nicht falsch verstehen: schauspielerisch war das Stück wirklich gut. So einen Wahnsinnsmonolog muss man sich erst mal merken. Und eine bühnenwirksame Beschäftigung für die zu finden, die selbst kaum etwas zu sagen haben, ist sicherlich auch nicht immer einfach.

Aber es bleibt dabei, dass ich einfach keinen Zugang zu dem Inhalt gefunden habe.

Und wie gesagt, Humor ist relativ.
Die MZ war begeistert. Allein das hätte mich warnen sollen. Sie haben ja mindestens zwei Artikel über das Stück gebracht.
Sei es drum: wer viel sieht wird irgendwann auch mal was sehen, dass einem nicht gefällt.
Vielleicht ändere ich meine Einstellung in den nächsten 20 Jahren noch grundlegend.
Aber bis dahin, bleibe ich bei meiner Meinung...


Und weil ich mir gerade ein wenig Zeit genommen habe:
Rezensionen aus anderen Städten stellen vor allem ein Scheitern des Individuums an seinen eigenen Ansprüche und dem Unverständnis der Umwelt in den Mittelpunkt.
Abgesehen davon, dass ich hier durchaus eine gewissen Ironie spüre und das freilich auch einfach hätte abpinseln können, möchte ich das ganze hier noch einmal kurz auf den Punkt bringen:
Bruscon hat jede Form von Bodenhaftung verloren. Und gerade darum sind seine Ansprüche kaum etwas, mit dem man sich inhaltlich wirklich auseinander zu setzen braucht.
Eines der Beispiele auf der Bühne war sein wiederholtes Beharren, sein Sohn hätte Spinoza lesen müssen, um eine bestimmte Rolle richtig darzustellen.
Da hängen dann aber diverse Probleme dran: kann man den Grundgedanken von Spinoza nicht auch anders vermitteln? Muss der Zuschauer den auch gelesen haben? Und gehen Stücke, die sich sklavisch an einer einzigen Interpretationsmöglichkeit festhalten und sich nur ja nicht auch nur einen Millimeter davon entfernen dürfen, nicht irgendwie an der Theaterrealität vorbei? Sowohl an der Gesamtdeutschen, als auch an der in den einzelnen Theaterhäusern...

Und das hier ist schon wieder viel zu lang geworden.
Vielleicht ist mein Problem mit Bruscon auch nicht nur sein Charakter, sondern auch sein beharren auf einem Theaterideal mit dem ich wenig anfangen kann...

Naja, lassen wir das hier. Genug Menschen hat der Abend gefallen. Nur eben mir nicht.
Soll auch mal vorkommen.
Und vielleicht fällt ja noch jemandem etwas erhellendes ein, dass auch einem Ignoranten wie mir die Augen öffnet... oder so...