Ich war Samstag in Leipzig, weil ich mir zwar seit Wochen die
Pfingsferienpläne aller möglichen Kollegen anhören darf, aber irgendwie die
Verknüpfung zu "Wave Gothic Treffen ist ja auch mal wieder" komplett
fehlte.
Ich frühs also halb acht raus - was prinzipiell eine blöde Idee ist wenn man
Abends noch in die Oper will. Und seit Samstag weiß ich: meine Schuhe sind
tatsächlich Wasserdicht. Etwas das ich von meiner Hose nicht behaupten kann.
Womit der Tag um 10 eigentlich gelaufen war noch bevor er richtig angefangen
hatte.
C. hat sich zwar nach Kräften bemüht mich bei Laune zu halten (Danke,
ehrlich.), aber es gibt Tage an denen hilft gar nichts mehr. Zumal Leipzig bei
dem Wetter auch nicht wirklich nach WGT aussah. Zumindest nicht so sehr wie in
einigen anderen Jahren.
Als ich dann also kurz nach fünf wieder hier in Halle war, fühlte ich mich körperlich
eigentlich schon der dunklen Seite der Gesundheit zugehörig und hätte am
liebsten ein heißes Vollbad und eine Mütze voll Schlaf genommen.
Was man natürlich auch keine Lösung ist, wenn man zweieinhalb Stunden später
in der Oper sein muss.
Ganz ehrlich: wenn ich die Karte nicht schon gehabt hätte: ich wäre Heim
gegangen. Ich war an dem Abend alles, aber auf keinen Fall entspannt und aufnahmefähig.
Was natürlich auch ein Weg ist die Erwartungen unten zu halten. Vor allem
wenn es schon zwei Vorab-Schnupper-Abende gab und der Saalplan beim letzten
Blick drauf trotzdem eher an eine Privatvorstellung als an eine Premiere erinnerte.
(Ich meine: ehrlich. Es ist Pfingsten, es sind Ferien, es ist Urlaubszeit und Alle die irgendwie in die Altergruppe fielen und trotzdem hier waren konnte man wahrscheinlich entweder beim WGT oder im Innenhof des nT finden.)
Also gut, rein in den Sitz, einmal gemütlich gefleetzt und irgendwie wird
auch dieser Abend vorbei gehen.
Das war so der Grundplan.
Ich bin ehrlich, die Gruppenszenen mit dem aufgebrachten Dorf oder den mal mehr oder weniger kompetenten Kollegen des Herrn Doktor waren wenig angeneigt mich an Qualitätsunterhaltung denken zu lassen. Naja, was man bei Mel Brooks eben unter Qualität versteht. Wer Space Balls kennt (Durchkämmt die Wüste!) oder Helden in Strumpfhosen (Leiht mir euer Ohr!) der weiß dass man hier im allgemeinen mit wenig Wissen sehr weit kommt.
Frederik Frankenstein (Augenzwinkernd selbstreferenziell gespielt von Björn Christian Kuhn) erbt als letzter lebende Nachfahre das Haus seines berühmte Ahnen. Freilich hat er sich die ganze Zeit gegen den Ruf gewehrt dem sein Name anhängt, aber nach etwas Zusprache von Igor (herrlich schräg: Ásgair Páll Ágústsson) und den mehr oder weniger subtilen Hinweisen von Frau Blücher (Gabriele Bernsdorf, meiner unwichtigen Meinung nach in einer ihrer bisher besten Rollen) geht es ans Werk - verfolgt von den nicht ganz so wohlwollenden Blicken der Dorfbewohner, den... erm... hingebungsvoll unterstützenden Hilfeleistungen der neuen Assistentin Inga (alternierend Julia Klotz oder Bettina Mönch) und den etwas... erm... bin eigentlich nur ich der Meinung das Frankensteins Verlobte Elizabeth Benning (Anne Thóren)... erm... die meiste Zeit ein generelles Problem mit Monogamie hat? Wobei man fairer Weise sagen muss: dass schien da allen so zu gehen...
Und natürlich ist Frankensteins Schöpfung, im Programmheft vereinfachend als "Das Monster" umschrieben (von Thomas Weissengruber ge... erm...stakst?), von allen Missverstanden und generell vorverurteilt - mal abgesehen davon, dass er nicht das allerbeste Hirn abbekommen hat - nicht unbedingt ein Grund für Jubelstürme... jedenfalls aus der Perspektive des nicht sonderlich weitsichtigen Dorfpublikums.
Wenn man das Jubel-Stürmen hingegen mit Mistgabel und Fackel... wir wissen ja wo so was endet. (in dem Fall offensichtlich entweder im Ritz oder im Wald)
Und ich muss ehrlich sagen richtig "angekommen" bin ich in dem Stück eigentlich erst bei diesem unsäglichen Lied über das Gehirn. Es gab einen Namen auf den ich wirklich gewartet habe und der tatsächlich fiel: Tesla.
!Achtung Bildung!
Damit ihr aus diesem Tag außer unstrukturierter Gedanken noch irgendwas mitnehmt: Wer war Tesla?
Wer Englisch kann und keine übermäßige Verehrung für Edison hegt, kann gerne mal die Suchmaschine seines Vertrauens nach den zwei Worten Oatmeal und Tesla fragen. Wer da durch ist - so nach etwa einer halben Stunde Tabs öffnen, neue Cartoons ansehen, noch einen Link finden.... - kann ja für weiterreichende Bildung noch die Auseinandersetzung mit Forbes lesen. Den Anderen bleibt immer noch Wikipedia.
Und da Musik ja angeblich keine Sprachbarrieren hat - und dem einen oder anderen das Wort Geek vielleicht noch nicht so geläufig ist - empfehle ich einfach mal auf Youtube nach "Tesla Coils" zu suchen. Dort einfach ein bissel durchscrollen bis ihr einen Titel findet der euch zusagt. Und dann viel Spaß.
Eine weitere halbe Stunde später solltet ihr irgend etwas gefunden haben dass euch zusagt, selbst wenn es absolut gar nichts mehr mit den Spulen zu tun hat...
Und wer jetzt der Meinung ist zeitintensive Internetsuchhilfen vermitteln keine Bildung: sich selbst aneignen hilft und bildet. Nicht nur bleibt das gelernte dann besser hängen... Neugierde ist auch eine der wichtigsten Eigenschaften die der Mensch hat. Oder glaubt ihr Victor Frankenstein hätte irgendwas in seinem Labor zum Leben erweckt, wenn er nicht wissbegierig gewesen wäre? Oder Geistesgestört... Gut, kann auch sein dass es an Mary Shellys schlechten Träumen und der angespannten Atmosphäre bei einem der folgenschwersten Wanderausflüge der Literaturgeschicht liegen (Polidori schrieb Der Vampir, auch wenn der gerne Byron zugeschrieben wird, Mary Shelly schrieb Frankenstein, auch wenn ihr Mann wohl einiges darin verschlimmbesserte...) ... aber dann kommen wir hier nie zum Schluss, dass ist jetzt schon wieder viel zu lang.
!Bildung Ende!
So, und da ich generell bereit bin jemandem der Tesla gut findet eine Menge durchgehen zu lassen (abgesehen von der tätigen Körperverletzung), hab ich ab der Szene mein Nörgeln einfach mal ausgestellt und mir den Rest der Handlung mit gebürtigem Humor angeschaut... zumal die eine oder andere sexuelle Anspielung ohne wahrscheinlich auch nicht ertragbar gewesen wäre. (Kommentar einer Arbeitskollegin: "Mitunter habe ich mich schon gefragt: muss das jetzt wirklich sein?")
Warum ist das eigentlich so lang geworden?
Ach ja, weil ich noch über die Pause nörgeln wollte.
Ich werde hier keine Zahlen nennen, aber nach der Pause stand ich drei mir bekannte Gesichtern gegenüber, die reichlich erstaunt schienen, dass ich "auch" da war. Scheinbar hatte irgend wer kurz vor der Premiere den genialen Einfall: alles was noch nicht weg ist kommt zum Schleuderpreis an die Kasse... womit ich für meine Premierenkarte in bester Lage etwa acht Mal mehr bezahlt habe als die kurzentschlossenen Freunde im zweiten Rang, denen angesichts meiner Karte leicht die Gesichtzüge entglitten.
Ansonsten hatten wir Spaß. Ein Blick in die aktuelle Ausstellung im ersten Rang (richtig gute Bilder!), ein kurzer Plausch wer was in den letzten Wochen gemacht hat. Und der geniale Kommentar von G. als ich ihr sagte, dass ich bei einer billigeren Karte unter Garantie vom Bahnhof aus nach Hause gegangen wäre und dort auch geblieben wäre:
"Da hättest du aber was verpasst!"
Recht hat sie.
Etwa die Szene mit dem Monster (was echt fies klingt, kann man ihn nicht irgendwie Steini oder so nennen? Ich find ihn mittlerweile aus Prinzip gut. So schlimm ist er eigentlich gar nicht... nur missverstanden mit einer Feuerphobie.) und dem blinden Mann im Wald - der ja eigentlich der sein soll der Frankensteins Schöpfung die wichtigen Dinge im Leben beibringt und das ganze damit nur noch schlimmer macht... zum Beibringen kommt er in der Szene gar nicht mehr. Aber Schlimmer wird es auf jeden Fall.
Es ist im Grunde eine absolut blödsinnige Szene, aber sie lebt davon dass man weiß was eigentlich passieren sollte... und das genaue Gegenteil davon untergejubelt bekommt.
Ich hoffe einfach mal dass sich das irgendwie durch Mundpropaganda noch retten lässt. Bevorzugt von jemandem der eloquenter ist als ich. Das Stück war wirklich gut. Wir waren alle vier am Ende hell auf begeistert.
Aber, eben noch nicht umgeworfen. Die strahlenden Augen der drei genannten Bekannten wurden eben noch eine Runde strahlender, als ich meinte die Wiederaufnahme der 39 Stufen wäre am gleichen Abend auch gewesen.
Ach ja, und für die die da waren: erinnert sich wer an die Szene mit der Wissenschaft und der Würde und dem Anstand? Die die am lautesten gelacht haben waren (Ex-)Studenten. Ich habe bisher noch keinen Studenten kennen gelernt der eine Woche vor der Abgabe der Abschlussarbeit nicht etwa genau so reagiert hätte.
Tja, und ich geh jetzt erst mal meine Regenjacke imprägnieren.
Ich wollte ja heute noch ins Hoftheater... mal schauen ob das Wetter mitmacht...
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