Ich weiß, dass der Titel das reinste Klischee ist. Und das es eine schlechte journalistische Praxis ist, sich auf die Überschrift zu beziehen als wäre sie der erste Satz in einem Artikel. Sei es drum.
Hier also ein kleiner Schwank aus meinem Leben:
Gestern war Feiertag. Und ich hatte Zeit mal wieder durch den News Feed zu scrollen. Und irgendwo zwischendrin hat die SZ Bücher empfohlen.
Ich bin ein einfaches Gemüt und tief in mir drin immer noch Germanist. Natürlich habe ich auf den Link geklickt.
Und nun bin ich der Erste der zugibt, dass ich in den letzten Jahren sehr viel an Nachrichten weg-ignoriert habe. Also gegebenenfalls übersehe ich gerade etwas wirklich grundlegendes.
Aber:
Eines der empfohlenen (und hoch gelobten) Bücher wurde von Wolfram Lotz geschrieben. Ich habe mittlerweile mitbekommen, dass er als Theaterautor arbeitet. Und wenn er davon leben kann wird er sein Publikum gefunden haben. Oder das Publikum ihn. Wie gesagt: ich habe da nicht unbedingt den Überblick.
Als Germanist sehe ich das Ganze trotzdem mit dieser Faszination die normale Menschen einem Verkehrsunfall entgegen bringen.
Die Grundidee ist einfach: Er zieht ein Jahr in ein französisches Dorf und entscheidet "Tagebuch zu führen". Nicht mal "heute habe ich..." sondern eher kleine Dinge die über den Tag aufgefallen sind. Dabei schafft es nicht jeder Gedanke in einen vollständigen Satz. Man muss der Fairheit halber sagen: ja, es geht auch um seinen Beruf. Aber eben auch um alles andere, etwa das letzte Mittagessen.
Und nun steckt ja dahinter nicht nur die Vorstellung, dass sich dafür schon ein Verlag findet (S. Fischer) oder gar eine Zeitung die so etwas rezensiert (SZ), sondern auch, dass ein ganz normaler Mensch zu einem Buch mit dem 'bemerkenswerten' Titel "Heilige Schrift I" (!) greift und sich das 900 (!!) Seiten lang durchliest. (Der Spaß kostet übrigens um die 30 Euro.)
Mir fällt tatsächlich keine Autorin ein, die auf so eine Idee kommen würde.
Das gilt aber auch im Umkehrschluss:
Ich habe gestern in einer durchaus unrepräsentativen Studie versucht das den kulturinteressierten Damen in meinem Leben schön zu reden. Hochgradig erfolglos.
Dafür fallen mir mindestens drei kulturinteressierte Herren ein, die ggf. wirklich in so etwas hinein lesen würden...
P.S.:
Und ich weiß, dass der Beitrag die reinste Klischeekeule ist. In alle Richtungen. Ich ärgere mich auch, dass ich gestern trotzdem - oder gerade deswegen - 2 Stunden meines Lebens ins Lesen dieses Buches gebuttert habe. Dass Herr Lotz sich selbst zwischenzeitlich auch Miley Cyrus oder Peter Handke nennt und dann in der dritten Person von sich spicht fällt unter Geschmackssache. Aber welchen Erkenntnisgewinn hat es für mich, dass er den Ortskern seines neuen Dorfes in der Regel meidet? Oder dass es Frischeiwaffeln gab? Und trotzdem habe ich weiter gelesen. Entweder gerade weil es nie länger um etwas konkretes ging. Oder eben wegen dieser ungläubigen Skepsis, die ich dem Werk als Ganzes entgegen bringe.
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