Montag, 24. Mai 2010

Wunderhorn

Manchmal würde es helfen, vorher mal die Tagespresse zu studieren, was einen so erwarten könnte. Gut, mein Empfinden und die Bewertung der MZ laufen normalerweise auseinander, aber in dem Fall hätte ich wenigstens vorher gewusst, dass es sich nicht um einen Liederabend, sondern um eine moderne Oper handelt. Und genau das hätte mich wahrscheinlich effektiv davon abgehalten, mir die Karte für diese Veranstaltung zu holen.

Was an mir und meinem fehlenden musikalischen Verständnis liegt, nicht am Stück.

Falls jemand hier vor hat sich das Stück anzusehen: ich empfehle dringend die zwei Euro für ein Programmheft zu investieren. Abgesehen davon, dass man den Liedtext mitlesen kann, erklärt es einem auch gleich noch, was man da vermeintlich sieht und hört...

Nun ist es nicht so, dass ich keine eigene Meinung habe. Die würde so aber wirklich niemand ins Programmheft schreiben.

Fangen wir mal mit etwas einfachem an:
Architektur und so. Die neue Residenz gewinnt keinen Schönheitspreis, hat aber eine gute Akustik. Oder wie ich sagen würde: eine zu gute. Ich habe selten so deutlich gehört wie Darsteller den Einsatz des Chors anatmen; die Dame am Horn braucht ja auch Sauerstoff und dann war da noch der Kerl irgendwo rechts, der sich standhaft weigerte sein Problem mit einem Taschentuch zu beheben.
Aber so etwas bringt wohl nur mich auf die Palme.

Und dabei hatte das Stück WIRKLICH gut angefangen. Ich bin immer noch beeindruckt, dass der Darsteller des Heinrich - seines Zeichens gebürtiger Isländer - akzentfrei gesungen hat. Im Publikum saßen drei Solisten des Opernhauses, so dass ich mir eigentlich dachte "Wenn die zu einer Vorstellung kommen, muß es gut sein". Und da ich normalerweise für Realitätsbrechungen sehr empfänglich bin, habe ich mich in den ersten 10 bis 15 Minuten gut amüsiert... und mich dann verzweifelt gefragt, was ich da eigentlich sehe...

Abgesehen davon, dass es an manchen Stellen schwer ist zu folgen, habe ich irgendwann den Faden verloren, ob die Handlung in dem nachgebauten Puppentheater oder die drum herum die eigentlich wichtige war. Ein Blick in das Programmheft verrät: Das ich Musik in der 10ten abgewählt habe, war hier der eigentliche Nachteil. Sie stand im Mittelpunkt. Oder was man halt so als Musik bezeichnet... Ich habe also im Stück angefangen mir das schön zu lesen, was ich intellektuell einfach nicht verstanden habe.

Die Stimmen des Chors imitieren einzelne Instrumente und die Zuordnung wechselt?
Ah...ja...erm...
Die anderen Stilblüten in dem Heft möchte ich gar nicht erst erwähnen. So kann nur jemand schreiben, der Musik auf einem Level versteht, das ich in diesem Leben nicht mehr erreichen werde, noch erreichen möchte.

Aber - und das passiert mir in Halle auch nicht zum ersten Mal - ich habe ein wenig der frei werdenen Zeit genutzt mich umzusehen und mehr als nur einen gefunden, der wiederholt das Programmheft konsultierte. Ich dachte schon, andere würden genauso leiden wie ich. Die Gesichtsausdrücke legten dies zumindest nah... bis zum Schlußapplaus. Scheinbar haben die sich alle SEHR innerlich gefreut und am Ende geklatscht wie auf einem Robbin Williams Konzert...

Das sind die berühmten Momente in denen die Selbstwahrnehmung und die Reaktion Anderer auseinander driften. Ein Phänomen das Volker Pispers mal mit dem Konzept der gefühlten Wirklichkeit erklärt hat.

Gefühlt war es atonale Musik mit verworrener Handlung, der man nur bedingt folgen konnte. Und einiges war schon rein akustisch schwer zu erfassen. Realistisch war es scheinbar ein hoch intelligentes Stück mit anspruchsvoller musikalischer Struktur und tiefen existentiellen Problemen...

Und wer wissen will, welche der beiden Interpretationen nun subjektiv für ihn oder sie wahrscheinlicher ist, sollte einfach mal hin gehen.
Dem Programmheft nach zu schließen könnte ein Musikwissenschaftler damit wirklich seinen Spaß haben. Für alle anderen... Tja... Es gibt auf dem Spielplan wirklich einfacher zugängliche Stücke. Vielleicht sollte man mit einem davon anfangen.

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