Donnerstag, 24. Juni 2010

Madam Pompadour

"Operette, das ist wie GZSZ mit Musik."

Das Zitat stammt von mir (in einer jener Situationen in denen der Mund schneller war als das Hirn) und wie eine Musikstudentin mir versicherte: für den Hausgebrauch reicht die Definition vollkommen.

Nun ist es natürlich nicht meine Intention die Operette zu beleidigen. Ich meinte das eher im Bezug auf das Aufeinandertreffen diverser Unwahrscheinlichkeiten.

Dass ich vor einem Dreivierteljahr nach ewiger Abstinenz in der Oper gelandet bin war Zufall. Zu Madam Pompadour - meinem ersten Kontakt mit der Operette - zog es mich vor allem auf Grund eines unbestimmbaren Funkelns in den Augen meiner Mutter. Dieses Funkeln stellt sich jedes Mal ein wenn ich erwähnt, dass ich am überlegen war, mir das Stück anzusehen. Und wie ich heute weiß, hatte meine Mom damals absolut keine Ahnung worum es eigentlich gehen würde.

Und dieses Aufeinandertreffen privater Zufälle ist nichts im Vergleich zu dem, was ich dann auf der Bühne sehen sollte.

Das ganze beginnt im Musenstall, einer Künstlerkneipe zu Zeiten Ludwig-des-weiß-der-Geier-wievielten. (Geschichtsinteressierte konsultieren bitte Wikipedia oder den Bücherhort ihres Vertrauens, aber nicht mich.)

Calicot - der Sangspruchdichter des Abends - hat ein Spottgedicht über die Titelgebende Marquise de Pompadour geschrieben - welche eben so zufällig anwesend ist wie ein alter Bekannter Calicots, nämlich Rene. Die Pompadour flieht vor dem langweiligen Hofleben, Rene vor seiner langweiligen Frau und beide kommen sich näher, mit Option auf mehr.

So weit, so frivol.

Auf den Fersen der Pompadour wandelt ein Polizeiinspektor, dessen Lieblingssatz "Ich bin schläuer" lautet und der sich ein ums andere Mal von der Marquise vorführen läßt, in seinem Versuch sie vor dem König zu diskreditieren. Zur Ehrenrettung sei gesagt, dass er es wirklich schafft den Musenstall auszuheben.

Pause, weiter mit dem zweiten Teil.

Calicot ist mittlerweile als Hofschriftsteller für ein Stück angestellt, Rene in der Leibgarde der Pompadour untergekommen (er habe "Nachtdienst" zu leisten), die Zofe findet nach wie vor gefallen an Calicot, der Polizeiinspektor ist der festen Überzeugung die Pompadour hätte es auf Calicot abgesehen und nicht auf Rene... kurz, alles könnte für die Mätresse des Königs hervorragend laufen. Wäre es keine Operette.
Auftritt: die Halbschwester der Pompadour - Madeleine. Dieser ist der Mann davongelaufen. (Nachtigall, I hör dir trapsen.) Und während sich die Pompadour daran macht, aus der neu gefundenen Verwandschaft vom Lande eine vernünftige Pariserin mit Kleidergeschmack und keckem Benehmen zu zaubern, dämmert auch ihr bald recht deutlich: ihr neuer Lieblingssoldat ist der Mann ihrer Schwester. (Rene hatte es bisher "versäumt" zu erwähnen, dass er verheiratet ist.)
Die Pompadour geht erst mal reiten, der König kommt wieder, findet einen fremden Mann in seinem Schlafzimmer (Rene), läßt diesen Verhaften, erfährt vom Polizeiinspektor dessen Version der Geschichte (der verhaftete sei Calicot), der Dichter hatte sich aber in einer Truhe versteckt und... kurz: Madeleine bekommt ihren Rene zurück, die Marquise schafft es sich von jedem Vorwurf frei zu sprechen und wird dafür sogar befördert, deren Zofe schnappt sich Calicot, dem statt dem Todesurteil aus Versehen eine Pension ausgesetzt wurde, und fertig ist die Chose...



Erwähnte ich, dass ich manchmal einen sehr laxen Umgang mit Worten habe?
Erwähnte ich, dass Madam Pompadour in die Sparte "Kultur" fällt?

Erwähnte ich, dass die Musik gut ist?

Oder das Stück recht lustig?

Also zumindest hier in Halle habe ich die zwei Operetten, die ich bisher gesehen habe, als ausreichend Selbstironisch empfunden - was im Zweifelsfall auch mit der Rosamunde Pilcher Handlung versöhnt. (In der Blume von Hawaii noch viel mehr als hier)

Dazu kommt, dass das Stück sinnvoll inszeniert war. Im Musenstall hat es sich angeboten, einfach mal den gesammten Chor auf die Bühne zu stellen - in Abendgarderobe. Allein das sind sicherlich 30 bis 40 Mann (und Frauen), und wenn die begeistert Calicots Auftritt beklatschen, hat man gleich das Gefühl in einem vernünftigen Stück gelandet zu sein, auch wenn der Saal selbst halb leer ist.
Und die Leute stehen ja auch nicht nur blöd rum. Meine persönliche Lieblings-Chor-Sängerin hat in den ersten 10 bis 20 Minuten Tonnenweise virtuelles (!) Koks vom Tisch vor ihr heruntergeschnupft. Realistischer weise hätte sie wahrscheinlich nach spätestens 15 Minuten tot umfallen müssen, aber hey, wenn die Leute auf der Bühne ihren Spaß haben bin ich der Letzte der sich beschwert.

Auch sehr schön gelöst war die Bettszene zwischen Rene und der Marquise. (Wundervoll unterstrichen durch eine Kinderstimme aus dem Publikum: Mama, was machen die da?) Man hat praktisch ein Bettgestell an die Wand genagelt und drum herum ein paar Wände gestellt, fertig war die Zimmerdraufsicht - wandelnde Maus inklusive. Und wenn dann immer mal einer unter der Bettdecke verschwindet...

Zwischendurch wurde außerdem als Kollateralschaden eine Pappkuh von einem Panzer erschossen. Und das Pferd der Pompadour war ein einzelner Darsteller in schwarz, mit einem horizontal abstehendem Sattel auf dem Rücken. Nicht zu vergessen der frierende Rene: umgeben von Eisschollen, mit wehendem Schal...

Um endlich mal auf den Punkt zu kommen, ich habe ja heute auch noch ein bißchen was zu tun:
Es ist einfach ein riesen Spaß. Wer sich von dem Wort Operette nicht abschrecken läßt, kann einfach mal für zwei oder drei Stunden das Hirn ausschalten und sich gut unterhalten lassen. (Und nebenbei noch aufschnappen welcher Ludwig denn nun zu Zeiten der Pompadour an der Macht war...)

Das einzige wovon ich wirklich abraten würde: in die letzte Vorstellung zu gehen, wenn man die Operette noch nie gesehen hat. Neben mir saßen in der letzten Vorstellung drei Männer, die gelinde gesagt irritiert aussahen.
Nun ist es einfach so, dass die letzte Vorstellung den Schauspielern gehört. Das ist fast überall so. Und der eigentliche Witz an der Sache ist, dass man als Zuschauer mitlachen kann, wenn man das grob im Kopf hat. Dass sich einer der Tänzer seinen Ägyterbart statt ans Kinn einfach an die Oberlippe gepappt hat war wirklich harmlos.
Nun gab es aber auch eine Szene in welcher der Polizeiinspektor eigentlich mit drei Damen verschwindet, mit den Worten "Eine Frau kann einem Mann zu viel werden, drei niemals." In der letzten Veranstaltung wurden diese drei von Männern gespielt, die - wenn ich das richtig im Kopf habe - eigentlich gar nicht im Stück mitwirkten. Man hat Herrn Trekel seinen Unwillen zwar angemerkt. Aber gerade das macht ja den eigentlichen Charme aus... wenn man es denn merkt... wenn nicht sieht man wohl genauso befremdet drein wie die Herren neben mir. Aber es hat ja auch keiner gesagt, dass Humor universell ist...

*eine der eingängigen Melodien vor mich hin summ*

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