Sonntag, 5. Dezember 2010

Die Schöne und das Biest

Kontakte sind was feines. Eine Freundin von mir hat angefragt, ob ich mit ins Ballett gehe. Nicht nur in irgend ein Stück, sondern in die Premiere zu Die Schöne und das Biest. Und wer bin ich bei so was nein zu sagen?
Also ging es gestern Abend noch mal los.
Wie bei armen Studenten üblich hat es uns aus Geldgründen in den zweiten Rang hoch verschlagen. 
Und da fangen die Probleme dann auch schon an. Ab der zweiten Reihe sind das da oben einfach keine schönen Plätze, vor allem wenn ein großer Mensch vor einem sitzt. So habe ich den Abend über meistens nur eine Hälfte der Bühne gesehen und konnte mir durch Gewichtsverlagerung aussuchen welche.
Oder etwas direkter ausgedrückt: ich habe keine Ahnung wie das Stück wirklich wirkt, weil ich kaum einen ungehinderten Blick auf die Bühne hatte und mal alles gleichzeitig sehen konnte...

Wenn man das aber mal kurz außer Acht lässt, erlaube ich mir trotzdem mal eine kleine Beschreibung des gestrigen Abends.
Als aller erstes ist es ein merklicher Vorteil beim Ballett das in den Stücken nicht gesungen wird. Dann fängt keiner an zu zischen wenn man mal mit seinem Nachbarn tuschelt. Das Mädchen neben mir hat regelmäßig seine Mutter konsultiert was es da sieht und selbst die Freundin die mich eingeladen hat, lehnte sich nach ein paar Minuten zu mir und meinte sie versteht es nicht. Und auch wenn das jetzt keine Hochbildung ist muss ich sagen dass man mit grober Ahnung von der Disney Verfilmung doch recht weit kam. Dafür hatte ich dann so existentielle Fragen wie "Was zum Henker ist das da hinten an der Wand?" (es war ein Einhorn - glaube ich)

Dann das eigentlich wichtigste: die Aufführung selbst.
Ich persönlich bin eigentlich kein großer Fan dieses fein gewebten Vorhangs, der mitunter vor die Bühne gespannt wird. Mich erinnert es immer an eine überdimensionale Feinstrumpfhose. Abgesehen davon habe ich von dem Ding im Nussknacker nach der Hälfte Augenprobleme bekommen. Im Nussknacker war es allerdings auch nur so eine Art riesiger Weichzeichner für die Bühne (und ich saß relativ weit vorn), in Die Schöne und das Biest wurde das Ding wirklich als Stilmuttel genutzt. Oder genauer gesagt: als Projektionsfläche für eine Videoinstallation.
Ein weiterer Beweis dafür, wie man aus recht wenig ziemlich viel machen kann. Die Reise zum Schloss des Biestes wurden fast komplett so dargestellt. (auch wenn scheinbar ein extrem langer Mensch vor dem Projektor saß und man mitunter unten Rechts einen Haaransatz gesehen hat.)
Aber auch die Kostümabteilung hat ein Riesen-Lob verdient. Der Verweis auf die Disney Version kommt unter anderem auch daher, dass im Schloss des Biestes fast das ganze Mobiliar von Menschen dargestellt wurde und das wirklich gut. (Der heimliche Star des Abends war übrigens ein Kaminvorleger in Form eines Eisbärenfells. Der war richtig klasse.)
Auch die Maskenbildner sollten nicht unerwähnte bleiben. Immerhin muss man sich was einfallen lassen wie man aus einem Menschen ein Biest macht. Die Antwort ist eine zu Beton gesprühte Haarmähne und Wülste über den Augen (und ich glaube auch über den Wangen). Mehr habe ich von da oben nicht erkannt. Aber ich denke mal es wird von Nahem gut ausgesehen haben.

Tja... und hab ich jetzt inhaltlich noch was zu sagen...
Jein.
Es ist so, dass mir persönlich das leidende Biest zu melodramatisch war (und ich Teile der Handlung wirklich nicht verstanden habe. Als Belle neu im Schloss ist hat sie körperliche Schmerzen weil er hinter dem Glas fuchtelt? Es ist und bleibt einfach eine Kunstform mit der man sich anfreunden können muss.). Ich weiß dass Einer zu meiner Rechten in der Pause gegangen ist, ob das nun allerdings was mit der Zeit und dem Tagesstress oder mit dem Stück zu tun hat, wage ich nicht zu beurteilen. Eine Freundin hat es als Elefantenballett bezeichnet, weil man mitunter nun einmal hört wie die Leute nach den Sprüngen wieder auf dem Boden aufkommen. (Was wohl eigentlich nicht so sein soll... ich bin mir trotzdem sicher, dass ich nach einer Viertelstunde von dem was sie da auf der Bühne machen, einfach tot umfallen würde, weil ich nicht ausreichend fit bin. Ich bin also im Zweifel für den Angeklagten.) Und auch wenn ich von der Musik keine Kopfschmerzen bekommen habe, verspüre ich wirklich kein Verlangen in das ganze noch mal bei Amazon reinzuhören. Mir ist vor allem die hohe Geige im Gedächtnis geblieben und das ist was wofür ich mindestens einen Kaffee intus haben sollte, was heute noch nicht der Fall ist.
ABER - und das meine ich vollkommen erst - auch wenn mich das Stück nicht vom Hocker gehauen hat, habe ich einfach nicht gemerkt wie die Zeit verging. Zum einen wurde es in der zweiten Hälfte merklich leiser, so dass der Eindruck entstand, dass langsam doch alle im Stück angekommen sind. Und zum anderen bleibt ja doch die neugierige Frage: wie geht es weiter? Wie werden sie den Rest wohl darstellen? Und man muss fairer Weise sagen, dass auch der eine oder andere Grund zum lächeln dabei war. Sei es nun der Eisbär oder die kleine Hommage an Michael Jackson.
Wer also keine grundlegenden Probleme mit gedämpften Farben hat, kann ruhig einmal rein schauen und sich ein eigenes Urteil bilden. Sei es nun dass es die Premiere war oder sei es weil die Leute wirklich begeistert waren, aber der Schlussapplaus hat ewig gedauert. Gefallen scheint es also zu haben, und sei es nur weil das ganze von weiter unten ganz anders wirkt...

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