Donnerstag, 8. Juli 2010

liest hier eigentlich noch wer mit?

Ich denke mal nicht, also verfasse ich hier mal ein ganz persönliches Erinnerungs Post-It.

Tristram Shandy ist das mit Abstand schlimmste, durch das ich mich je durchquälen musste. Und ich habe im Laufe der Zeit wirklich einigen Blödsinn lesen "dürfen".

Laurence Sterne ist der Autor, Tristram Shandy der Erzähler - wobei auch das mitunter schwankt (auf andere fiktive Figuren, aber auch auf Sterne), und der "Gute" meint seine "Biographie" schreiben zu müssen.
Nun gingen von den über 700 Seiten, allein 230 Seiten bis zur Geburt drauf. Und es ist beim besten Willen nicht so, dass Mr. Shandy die Geburt selbst beschreibt - obwohl er dabei anwesend gewesen sein muß - sondern eher so, dass er wortwörtlich die Nonsense Diskurse zwischen seinem Vater, seinem Onkel, dem Arzt und anderen Menschen der Nachbarschaft wieder gibt, die zu dieser Zeit in seinem Elternhaus diskutiert werden.
Ich habe mittlerweile lernen sollen, wie wichtig die Nase für den Lebenslauf eines Menschen ist (das waren grob 80 Seiten, die vielleicht dadurch lustig werden sollten, dass man die vom Autor ausdrücklich verneinte Doppeldeutigkeit mitgelesen hat - aber selbst damit war es einfach nur ausgemachter Schwachsinn), wie viel wichtiger der Name ist, dass Tristram gezeugt wurde weil sein Vater die Uhr falsch aufgezogen hat, und weiteren Nonsense mehr...

Wäre nicht das Problem mit den über 700 Seiten (ich bin momentan etwa auf Seite 400) könnte man dem Buch vielleicht noch den einen oder anderen netten Schriftstellerischen Einfall abgewinnen. Persönliche Ansprache an Verwandte, Reflexion über das eigene Schreiben, fortwährende Missverständnisse zwischen Tristrams Vater und seinem Onkel... noch mehr Reflexionen über das Schreiben (er hat über 30 Seiten gebraucht um seinen Onkel und seinen Vater von einer Treppe herunter zu erzählen; das ganze damit gelöst, dass er einem Schreiber Geld gab; der das ganze dann damit auflöste, dass er den Vorhang fallen ließ; reflektiert dann selbst darüber, dass er bei der Geschwindigkeit zu schreiben nie im Jetzt ankommen würde, und überspringt dann ohne Kommentar erst drei Jahre (von einem Fenster beschnitten) und dann noch mal zwei Jahre (in denen sein Vater versucht ein Buch über die Erziehung zusammen zu kleistern) ...)

Dieses Buch ist mittlerweile zur Autoren-Selbstbespaßung ausgewachsen, vermengt fiktive und wissenschaftliche Diskurse, so dass sich wohl selbst Zeitgenossen nur schwer zurecht fanden, und geht immer noch über 300 Seiten weiter...

Dieses Buch ist auf jeden Fall eines der ersten, die aus meinem Zimmer fliegen, wenn ich mit Germanistik durch bin.

Und bis dahin bete ich inständig, dass Tristram in absehbarer Zeit alt genug ist aus seinem Elternhaus heraus zu kommen. Noch eine Militäranekdote oder ein Erziehungsdiskurs von seinem Vater... nun ja, es gibt da so ein wissenschaftliches Experiment, dass mich schon etwas länger beschäftigt. Zu viel mehr scheint das Buch nicht zu taugen...

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