Samstag, 10. Juli 2010

Romeo und Julia

Ich bin endlich mit Tristram Shandy durch und bevor ich mich dem nächsten Stück Kultur zuwende möchte ich noch kurz gestern Abend Revue passieren lassen. In der Kurzfassung: teilweise ein wenig absurd, aber weitaus besser als erwartet.

Für die, die noch nie da waren, eine kurze Beschreibung zum Freilichtheater am Uniplatz: der Universitätsplatz wird zwischen Juridicum und Spiegelstraße abgesperrt, die Zuschauer sitzen auf den Stufen (mit sehr dünnen Sitzpolstern unter'm Gesäß, darauf komme ich später noch mal) und die Handlung findet dann direkt an der Straßenecke und zwischen dem Juricidum und dem Melanchtonianum statt. Kopfsteinpflaster ahoi, darauf komme ich auch noch mal.

Überspringen wir mal das für Einige weniger ruhmreiche Thema der Sitzplatzsuche und kommen zum eigentlichen Hauptteil: dem Stück.

Bimmel-lim, Bimmel-lim. Auftritt: die Kammerzofe und der Gärtner, mit Marktschreierglocken, die erst mal die gesamte Besetzung vorstellten; sich stritten ob das ganze nun zwei oder fünf Stunden dauern würde und die versprachen, man habe das Stück an der einen oder anderen Stelle ein wenig angepasst, eben da wo man meinte es wäre angebracht.

Ein Versprechen das gehalten wurde:
Die beiden Häuser - links und rechts der Straße - waren mit Stacheldraht getrennt, Romeo erschien zum Maskenball als Biene Maja (Nicht ganz so schlimm wie das jetzt klingt: normale Klamotten und eine weiße Maske mit den Konturen von Majas Gesicht. Die schwülstigen Balzdialoge wurden auch mit einem entsprechenden "Bssss" vorgetragen. So absurd die Idee war, es hat funktioniert), die Musik war eher zeitgenössisch (wen wundert's, es ist das Thalia), das Publikum wurde immer mal mit eingebunden, und Mercutio (gespielt von einem Mann) trug, in der Zeit in der er lebte, Stöckelschuhe. Ich erinnere noch mal an das oben angesprochene Kopfsteinpflaster. Respekt.

Was war denn noch alles?
Ach ja, die von mir so geschätzte Selbstironie:
Romeo klettert auf Julias Balkon, bekommt es mit der Höhenangst zu tun und ihm fällt auf halber Strecke ein "Du sag mal... wie oft hast du das eigentlich schon gemacht?". Ihre Antwort: "Montag, Dienstag... Donnerstag..." (die drei Aufführungen davor). Da soll er erst mal was gegen sagen....
Dazu noch die eine oder andere aktuelle Bezugnahme (Deutschland gegen Uruguay, um den dritten WM Platz), die Gräfin Capulet erinnerte mich immer wieder an Angela Merkel, Julias Vater bestellt sich Tiefnachts eine Pizza und der Ort der Handlung pendelte irgendwo zwischen Verona und Halle, je nachdem wie es gerade am Besten passte.

Kurz: was an Akustik mangelte, wurde durch Chemie wett gemacht. Und ich bin ehrlich: ich habe bis zum Ende gehofft, zu den Veränderung des Stückes würde unter anderem auch ein Happy End gehören... meinetwegen mit gemeinsamer Auswanderung.

Nun, man kann nicht alles haben.
(Und ich glaube der Reiz des Stückes liegt gerade darin, dass man gegen alle Vernunft hofft, sie würden doch irgendwie gemeinsam überleben)

Um es kurz zu machen: aus mir wird in diesem Leben sicherlich kein Thalia Fan mehr, aber das war wirklich sehenswert.

Und, wegen der dünnen Sitzunterlagen:
Nach 2 1/2 Stunden kommt der Moment, wo man sein Gesäß einfach nicht mehr auf den Dingern plattsitzen möchte und einem langsam jeder Knochen einzeln weh tut. Das also Einige das - durchaus sehenswerte - Stück mit Standing Ovations beendeten, passiert in Halle zwar selten, ist aber verständlich. Und es hat den ganz großen Vorteil, dass nach und nach immer mehr Menschen mitziehen. Man möchte ja auch weiterhin etwas sehen. Und ich habe einen Blick in die Runde geworfen: es hat gedauert, aber am Ende standen wirklich Alle. Den Nerv der Anwesenden scheint es also durchaus getroffen zu haben. Und wenn man selbst Mercutios Tod noch etwas lustiges abgewinnen kann....

Ja ja, ich hör ja schon auf. Doch, es war sehenswert. Sehr unterhaltsam. Und eben etwas unkonventionell inszeniert.
(Eigentlich schade, dass der Text auf den Werbepostkarten so überproportional hochtrabend geklungen hatte. Ich wäre fast nicht hin gegangen.)

Und damit jetzt wirklich einen angenehmen Sonntag.
(Und bei den Temperaturen natürlich auch möglichst schattige Sitzplätze und eine leichte Brise zur Abkühlung...)

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