Sonntag, 25. September 2011

Buddenbrooks

Manche Sachen müssen sich eben doch erst setzen:
Wie viele Andere auch, wurde ich in der Schule mit Mario und der Zauberer gequält. Dieses winzig kleine Buch von Thomas Mann hat unwesentlich mehr als 100 Seiten, ließt sich quälend zäh und wird damit gefühlt mindestens doppelt so lang und gewann auch nicht dadurch, dass Freunde aus der Parallelklasse schon vorher das Ende verraten hatten.
Thomas Mann war für mich damit erledigt und der Einzige aus der Familie, an den mich die Uni erfolgreich annähern konnte, war am Ende Klaus. Und wie das mit dezidierten Weltbildern so ist: sie erleichtern das Denken und werden gerade daher eher selten auf den Prüfstand gestellt.

Und so stellt sich dann doch die berechtigte Frage, was mich geritten hat mir im Puppentheater eine Adaption eines über 700 Seiten langen Wälzers von Thomas Mann anzusehen, wo es mir doch sogar erfolgreich gelungen ist mich vor der TV Adaption zu drücken...

Ich weiß es heute selbst nicht mehr: wahrscheinlich eine Mischung aus Masochismus und dem Versuch sich ein Stück Allgemeinbildung mit möglichst wenig Aufwand reinzupfeifen.

Und wie nicht anders zu erwarten war zumindest die erste Hälfte absolut schrecklich, also der Teil in dem man Antonie dabei zusieht, wie sie sich von ihrer Familie drängen lässt einen Kerl zu heiraten, den sie absolut widerlich findet.
Nun ist es natürlich so, dass ich weiß, dass es noch vor 150 Jahren vollkommen normal war, dass die Väter die Lebenswege der gesamten Familie bestimmten. Und ich weiß - zumindest intellektuell - auch, dass es ignorant ist so ein Thema in der multikulturellen Gesellschaft des 21sten Jahrhunderts abzutun.
Aber ich kann einfach nicht anders. Bei mir meldet sich bei so was immer der Schnarchreflex, weil ich da einfach keinerlei Anknüpfungspunkte an mein ganz persönliches Leben finde.
Die Sache wird auch nicht leichter, wenn man bedenkt dass die Buddenbrooks im Original wie gesagt über 700 Seiten haben und entsprechend zusammen gekürzt werden mussten. Bevorzugte Darstellungsform: Dialog.
Ich glaube in sofern haben die Puppen tatsächlich das Stück gerettet, weil man sich neben der zu Beginn etwas zähen Handlung immer auch darauf konzentrieren konnte, wie dieses oder jenes als nächstes mit Puppen dargestellt werden kann. (wie immer sehr charmant und mit einem gewissen Augenzwinkern gelöst)

Und, um das Ruder langsam mal rum zu reißen: das eigentlich faszinierende ist, dass das Stück immer besser wurde.
Nachdem Toni, also Antonie, sich doch zu einer Hochzeit durchringen konnte (was dauert), kommt langsam Schwung in die Kiste. Und auch wenn das Buch mittlerweile über 100 Jahre alt ist werden tatsächlich noch Themen angesprochen, die so universell sind, dass man auch heute noch einen Bezug dazu finden kann:
Selbstbestimmung vs. Fremdbestimmung
Leistungsdruck vs. Burnout und kreative Selbstverwirklichung
der Familienfrieden gegen den inneren Frieden
Was zum Henker ist eine glückliche Beziehung?
Kurz: ein Haufen Lebensentwürfe, die, passend zum Untertitel Verfall einer Familie, eigentlich alle scheitern, dafür aber nie wertend präsentiert werden.
Und das eigentlich faszinierende ist, dass die nach 100 Jahren fast alle noch aktuell sind!

Und, wenn man jetzt mal von dem musikalischen Monolog am Ende absieht, sind sie vor allem sprachlich alle recht treffsicher auf den Punkt gebracht.

Das Stück ist wie gesagt sehr Dialoglastig. Einen Actionpreis kriegt es auf jeden Fall nicht, auch wenn immer wieder musikalische Auflockerungen und ähnliches eingeflochten sind.
Wer aber ein wenig Sitzfleich mitbringt und sich fürs Puppentheater begeistern kann, wird hier mit einigen unerwartet aktuellen Problemen in historischem Gewand konfrontiert.

Und das eigentlich wirklich erstaunliche: wenn ich momentan mehr Zeit hätte, ich würde mich wahrscheinlich sogar mal hinsetzen und ausprobieren wie weit ich mit lesen käme, bis es wieder zu dröge würde. Einfach um mal zu schauen was alles raus gekürzt wurde und was noch für Weisheiten in dem Buch stecken (und dabei hat Thomas Mann diese Ziegelstein von einem Buch mit gerade mal 25 Jahren geschrieben.).
Mal schauen, wenn ich dran denke ist das vielleicht was für Anfang nächsten Jahres.
Aber allein die Vorstellung freiwillig Thomas Mann lesen zu wollen, wäre vor einer Woche noch Grund für ernsthafte Erheiterung gewesen.

In so fern ist das hier wohl keines der Stücke die spontane Jubelschreie und Weiterempfehlungen auslösen, das aber das Potential hat einen zum Nachdenken anzuregen.
(Was offen gestanden für Kultur eine ziemlich gute Leistung ist.)

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