Montag, 31. Oktober 2011

My Fair Lady

Guten Morgen. ^^
Und ob man das nun glaubt oder nicht: gestern hat mit einer Menge versöhnt.
Ich meine: Zscherben war geradezu liebenswert absurd, allerdings in erster Linie weil sie die Hauptrolle spontan umbesetzen mussten. Und Woyzeck... ist wohl am besten mit einem Wort von Sir Laurence Olivier beschrieben: "Niemand auf der Welt ist so wehrlos wie ein toter Autor gegen einen lebenden Regisseur."

Und da ich gestern nicht alleine war, konnte ich auch um die größte Schwäche von My Fair Lady mehr oder weniger "drum herum schauen".

Ich meine: seien wir doch mal ehrlich. Man weiß was passiert, egal ob man das Stück mal gesehen, gelesen, gehört oder eben auch nicht. Und auch wenn der Text von Pygmalion für das Musical extrem herunter gekürzt werden musste, ist es immer noch George Bernhard Shaw.
Der Mann ist nicht Oscar Wilde, welcher einmal meinte "Ich verstehe nicht, weshalb man soviel Wesen um die Technik des Komödienschreibens macht. Man braucht doch nur die Feder in ein Whisky-Glas zu tauchen."
Shaw nimmt für so etwas keinen Whisky, sondern ein gerütteltes Maß ausgesuchter Beleidigungen und allgemeiner Überheblichkeit, übrigens von Martin Reik in der Rolle des Professor Henry Higgins mit einer fantastischen Selbstverständlichkeit dargeboten.
Ihm zur Seite bei dem halbjährlichen Experiment steht Stanislaw Brankatschk als Oberst Pickering.
Und die Lady des Abends: Nadine Eisenhart als Eliza Doolittle. (Die Rolle wird alternierend auch von Melanie Hirsch gespielt)
Andere wichtige Rollen wären dann Jürgen Trekel als Alfred P. Doolittle, Elizas rhetorisch begabter Vater (alternierend auch von Christopher Stegemann gespielt); Gabriele Bernsdorf als verbal schnittige Mutter von Professor Higgins; Barbara Zinn als Mrs. Pearce, die etwas irritierte Haushälterin von Mr. Higgins und Björn Christian Kuhn, der, wie Axel Köhler vorher noch mitteilte, zwar verschnupft auf der Bühne stand, dafür aber als Freddy Eynsford-Hill, Elizas ewig wartender Verehrer, eine hervorragende und vor allem sauber gesungene Leistung ablieferte.

So, das Who-ist-Who hätte wir damit auch. Wie war es denn nun unterm Strich?

Fangen wir noch mal ganz von vorne an:
Statt an den Eingängen zum Saal standen die Kartenabreißer dieses Mal unten an den Treppen UND fragten tatsächlich nach meinem Studentenausweis. Es ist nicht so dass ich es nicht verstehen könnte, aber es erinnert ein wenig an die Havag: Sie können das Ticket eh nur kaufen wenn sie den Ausweis vorzeigen, aber nutzen dürfen Sie es auch nur wenn Sie den Ausweis weiter mit sich rum führen. Ein wenig Schitzophren, vor allem weil ich Menschen kenne die so nahe an der Uni wohnen, dass sie den Ausweis nicht als Fahrkarte brauchen und daher gerne vergessen, aber bitte. Es ist nicht so, dass ich es gar nicht verstehen würde. Ich schüttle eher den Kopf über den Effekt der da mit dran hängt: Nicht jeder kann so bescheuert oft ins Theater gehen wie ich, aber weil dieses Mal keine Kartenabreißer vorm Saal standen, gab es sowohl im Parkett als auch im ersten Rang Menschen die eine ganze Reihe auf die Knie gezwungen haben, feststellten dass auf ihrem Platz schon wer sitzt, ihre Karte noch mal genauer studierten und feststellten dass Sie sich in der Etage geirrt hatten, also volles Kommando zurück.
Ich nehme den Leuten das noch nicht mal übel, immerhin gibt es keinen direkten Weg vom ersten in den zweiten Rang. Es ist einfach so dass die Organisation schon mal weitaus besser war.

Das Stück selbst war - im Rahmen des Möglichen - durchaus sehenswert.
Ich persönlich habe jetzt keine Ohrwürmer mirgenommen und wie gesagt: viel vom eigentlichen Wortwitz musste dran glauben.
Aber ansonsten haben sie das Stück sehr gut ausbalanciert.
Singende Rollen wurden (weitgehend) vom Opernhaus gestellt, gesangsfreie Rollen vom Neuen Theater. Gerade das Studierzimmer von Mr. Higgins ist perspektivisch sehr schön gelöst. Und der Rest kam mit einem Hintergrundbild und einer Handvoll Requisiten wirklich sehr weit.

Unter Strich ist es harmlos fluffige Unterhaltung - genau richtig für die graue Jahrezeit - und inhaltlich wirklich schön und mit Elan und Spielfreude dargeboten, knatschige Dialekte inklusive.
Unterm Strich - gerade für Menschen die mit dem Stoff mehr anfangen können als ich - sicherlich ein sehr schöner Abend.
Auch wenn sich gerade in der zweiten Hälften die musikalisch untermalten Umbaupausen hinter geschlossenem Vorhang ein wenig mehren, aber bitte: man ist ja in der Oper und nicht auf der Flucht.
Wer Zeit und den Wunsch nach harmloser Unterhaltung mitbringt - und Eskapismus ist ja nun wirklich keine Schande - der ist hier auf jeden Fall gut beraten.
(Auch wenn ich das vielleicht nicht ganz so sanft formuliert habe, wie es einem Musical gebürt...)

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