Sonntag, 26. September 2010

Ernst sein ist Alles

Oh man, ich habe den Fehler gemacht mal nachzuschauen, zu welchen Stücken ich noch alles eine Rezension hatte schreiben wollen. Eine recht lange Liste, die mir da noch bevor steht...

Fangen wir also an dieser Stelle erst mal mit etwas Einfachem an.

Ernst sein ist Alles.

Ich habe aus dem Studium bestimmt nicht immer so viel mitgenommen wie ich gesollt hätte. Aber meine Begeisterung für Oscar Wilde verdanke ich wirklich einer einzigen Dozentin. Am Semesterende - wenn keiner mehr was machen wollte und trotzdem noch Stunden zu bestreiten waren - haben wir uns meistens inhaltlich wertvoll Filme auf Englisch angesehen. Auch die wunderbare Ernst sein ist Alles Verfilmung mit Rupert Everett, Colin Firth, Frances O'Connor und Reese Witherspoon. Und Judi Dench soll natürlich auch nicht unterschlagen werden.

Egal in welcher Version, der Inhalt ist immer der gleiche: Zwei Männer geben sich als Ernst aus und zwei Frauen haben sich nun einmal in den Kopf gesetzt keinen anderen Mann als einen Ernst lieben zu können. Das kann natürlich nicht auf Dauer gut gehen, vor allem wenn alle vier zusammen treffen.
Und nach unzähligen Verwechslungen, einer wieder vereinten Familie und jeder Menge Wortspielen kann das Happy End schließlich kommen.

Tja, und was fällt mir nun zur Inszenierung des nT ein?
Es ist erst einmal unbestreitbar, dass das Stück genial ist. Es ist nahezu unmöglich solch eine Vorlage zu verhunzen. ABER: Da gibt es ja immer noch so etwas wie den persönlichen Geschmack.
In Halle ist das Stück glaube ich eines der erfolgreichsten die wir haben. Ich habe bisher nur mit Menschen gesprochen, die von diesem Stück grenzenlos begeistert waren. Und während ich zwischenzeitlich mit gerade mal 30 Leuten in einer Heute weder Hamlet Inszenierung saß, fand zeitgleich eine schon fast überfüllte Ernst sein ist Alles Inszenierung im Hof statt... deren Musik teilweise auch bis zu uns drang...
Wenn ich jetzt also sage, dass mir persönlich die DVD besser gefällt, schwimme ich damit glaube ich gegen die Mehrheit der Halleschen Zuschauer.
Es ist nicht so, dass ich es nicht verstehe.
Das Bühnenbild im nT ist unbestreitbar die geschmackvollste Lila-Rosa Mischung, die mir jemals untergekommen ist. (Gut, an so viele erinnere ich mich auch nicht, aber trotzdem.) Ich habe nach wie vor Mitleid mit dem armen Schaf. Die Drehbühne ist eine absolut geniale Idee, welche vollkommen neue Möglichkeiten ermöglicht Szenenwechsel zu gestalten. Und vielleicht geht auch der Germanist mit mir durch, aber selbst die Form des Stillebens wurde in begrenzter Form wiederbelebt. Ob das nun eine Verbeugung an die DVD sein soll, ein spontaner Regieeinfall oder tatsächlich ein Hinweis auf eine damals zeitgenössische Kunstform, kann ich von hier schwer beurteilen. Aber es hat was.
Also warum ziehe ich die DVD vor und fast alle die ich kenne eher das Stück bei uns im nT?
Wäre ich jetzt diplomatisch, würde ich sagen es läge an meinem schlechten Englisch oder meinem sicherlich mitunter auch reichlich verqueren Humor. Weniger diplomatisch liegt es daran, dass ich der halleschen Version von Algy einfach nichts abgewinnen kann.
Das ist wie gesagt Geschmackssache. Aber Algy - für mich der Held des Stücke, er hat einfach mal die besten Sätze abbekommen - muss trocken klingen. Ich glaube, dass Algy das was er da sagt - so absurd es teilweise klingen mag - wirklich meint. Und das er den Gutteil der Zeit sogar recht hat.
Und genau darum bin ich der Meinung ein betont trockener, zurückhaltender Humor steht Algernon weitaus besser an als ein nasaler oder schriller Tonfall.
Ich weiß, trockener Humor ist nicht für jeden. Subtiler Humor auch nicht. Meine Vorstellung von Algernon würde wahrscheinlich weitaus weniger Lacher produzieren, als das was Herr Gerlach in jeder einzelnen Veranstaltung bietet.
Es trifft halt nur einfach nicht meinen persönlichen Geschmack.
Trotzdem ist das Stück genial, kein Zweifel. Der Text und damit die Pointen haben sich ja nicht geändert. Die Ehetauglichkeitsprüfung ist - meiner Meinung nach - nach wie vor eine der genialsten Szenen, die jemals für das Theater geschrieben wurden.
Ich habe mir das Stück im nT sogar zwei Mal angesehen. Also kann es ja nicht schlecht sein.

Es ist eben einfach nur recht weit von dem entfernt, was sich in meinem Kopf abspielt, wenn ich mich einmal im Jahr mit einer Tasse Tee hin setze und das Stück mal wieder lese.

ABER: das muss an dieser Stelle auch noch einmal ganz deutlich unterstrichen werden: das Stück ist ideal für Theatermuffel. Es ist lustig, es ist absurd, es ist sympathisch, es ist gute Unterhaltung und ich glaube ich bin der einzige Mensch, der sich jemals an Algy gestoßen hat.
Außerdem ist die Vorstellung im Sommer im Hoftheater. Wer sich also mitschleifen lassen musste, kann sich das ganze auch während der Vorstellung schön trinken - etwas das sonst im Theater nahezu unmöglich ist.
Nötig wird es nicht sein, aber manche möchten so etwas ja vorsorglich tun.
Und der ganze Rest kann sich einfach zurücklehnen und eine der genialsten Sprachkomödien sehen, die es gibt. Das ist doch auch was.

Wer noch einen Theatergutschein aus der Studienanfängertüte hat, ist hier auf jeden Fall bestens beraten. Einfach ein paar neue Bekannte schnappen, sich das ganze Mal ansehen, gemeinsam lachen und danach vielleicht noch irgendwo einen Cocktail oder ein Bier.
Es wird sicherlich ein guter Abend werden, unabhängig von meinem Geschmack.
Ehrlich.

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