Sonntag, 26. Juni 2011

Dracula - Einführungsmatinee ^,..,^

Es ist kurz nach zwei, ich sitze in der Bibliothek - offiziell um zu arbeiten, inoffiziell...

Erm... sagte ich eigentlich schon, dass ich heute zur Einführungsmatinee zu Dracula war?

Nun, es verspricht interessant zu werden.
Auf der einen Seite ist Dracula natürlich in sich ein komplexes Thema. Ist der Vampir nun eher ein Monster? Oder eine gequälte Seele? Oder was dazwischen? Und warum? Und überhaupt... was macht man(n) dann mit der ganzen Unsterblichkeit?
Matthias Brenner hat auf jeden Fall wiederholt darauf hingewiesen, dass sie das Stück ein wenig aus dem historischen Kontext gehoben haben, für den es einmal geschrieben wurde, und der Fokus wieder mehr auf Dracula, seinem Innenleben und den romantischen Irrungen und Verwirrungen liegt.

Welches Wort fehlt hier bisher vollkommen? Musical.
Die Alternativen die heute vorgeschlagen wurden sind Schlageroper oder Optical (visueller Bombast).
Und ich muss ehrlich sein: Der Begriff Schlageroper macht mir Angst. Ich bin momentan voll im Unistress und wenn man das vorher weiß ist es ein wenig so, als würde man sich musikalisch die Kante geben. Hirn aus, Musik rein, Humor produzieren. Klingt gut. Wenn ich nicht ausgerechnet mit zwei Musikwissenschaftlern hingehen würde... von denen eine schon meinte, sie habe eine Musical Allergie... (dass es ein Musical ist, ist ihr erst aufgefallen, als sie die Karte in der Hand hielt...)
Und die Lieder klangen teilweise wirklich wie das Tongewordene Liebes- und Leidensklischee...
Da hilft es dann wahrscheinlich auch nur wenig, dass die Musik zwischen Schmalz, Rock, Orchestral und allen möglichen anderen Dingen hin und her zu schwenken verspricht. (Ich meine, die Musik war schön... aber... Vielleicht muss man das auch einfach nur richtig verkaufen: Karel Svoboda schrieb neben diesem Musical auch die Musik zu Drei Haselnüsse für Aschenputtel, das Titellied zur Biene Maya, Musik für Wickie und die starken Männer, Nils Holgerson, Tao Tao, Pinnochio... Lieder für Karel Gott... und einer ganzen Menge mehr. Eine Diamantene Schallplatte für mehr als 10 Millionen verkaufte Tonträger wächst schließlich auch nicht auf dem nächsten Baum.)

Worauf ich jetzt meine Hoffnung lege sind noch ein paar weitere Worte von Matthias Brenner: Wenn man mit Dracula nichts anfangen kann, mit der Musik nicht, mit Musicals nicht, mit Tanz nicht (sich also nach der Umschreibung komplett fehlplatziert fühlt) dann bleiben immer noch die Darsteller.
Gert Vogel als Dracula tendiert ja generell zu humoristischen Seitenbemerkungen und humoresken Partien, Björn Christian Kuhn ist so wie das klang am dauersterben und wiederauferstehen, Nadine Eisenhardt in einer Doppelrolle als Draculas Geliebte versprüht auf jeden Fall Charme und Kerstin Ibald machte ihre relativ kurze Auftrittszeit stimmlich - meiner Meinung nach - auf jeden Fall wett.

Es war definitiv die gelösteste und humorvollste Matinee die ich seit langem miterlebt habe.
Und von der Inszenierung her soll das Bühnenbild wohl eher zweitrangig und universell sein. Wir bewegen uns durch Draculas Zeiten, den Biedermeier und die Gegenwart! Das schreit nach Kostümen: vielen, bunten, aufwändigen, schönen.
Und nach den Bildern die durch die Reihen gingen muss ich sagen: das verspricht optisch anspruchsvoll zu werden. (auch wenn die Bilder teilweise etwas rotlastig wirkten)

Mein Plan für Ende nächster Woche ist auf jeden Fall: zur Premiere erst mal allein hin, genießen und auf mich wirken lassen, und dann schauen was am Sonntag meine beiden Musikwissenschaftler sagen...

Jetzt bleibt eigentlich nur noch zu hoffen, dass S. bis dahin hier nicht mitliest. Sonst werden wir sie wohl bewusstlos schlagen, hin schleifen und an den Stuhl binden müssen... oder Alkohol-Koffein-Doppeldoping... mal schauen. Oha... jetzt darf sie hier echt nicht mitlesen, sonst darf ich mir bei der nächsten Schicht erst mal was anhören. *g*



(Der Beitrag über die Vampirbücher ist immer noch in meinem Hinterkopf, aber das ist im Moment alles ein wenig schwer einzutackten. Wer wirkliche etwas über Dracula wissen möchte - und Englisch kann - kann sich mal A Brief History of Vampires von M. J. Trow durchlesen. etwa 2/3 des Buches beschäftigen sich nur mit Vlad Tepes, der historischen Verortung in der Zeit, seiner Familie und wie man die Berichte über ihn einordnen könnte. Manchmal etwas trocken und es kommt eine Unmenge an Namen drin vor, aber interessant zu lesen und spontan das umfangreichste und informativste, was ich bisher über Vlad Tepes gefunden habe.
Wer sich mehr dafür interessiert mit welchen Psychosen Bram Stoker und andere durchs Leben gegangen sind, dem empfehle ich Christopher Frayling (der allgemein gut zum Thema Vampire, Horror und dergleichen geschrieben hat) und hier ganz speziell Alpträume. Die Ursprünge des Horrors. Es geht nebenbei noch um Mr. Jekyll und Dr. Hyde, Den Hund der Baskervilles, Frankenstein und ein paar Andere... und ich gestehe: an ruhigen Tagen wünsche ich mir durchaus, mehr Bücher meines Germanistikstudiums wären so anschaulich wie dieses gewesen.)

4 Kommentare:

  1. S. hat mitgelesen und nun ein bissel Angst bekommen :-). Nicht vor dem Begriff "Schlageroper", denn ich verbinde mit Schlager einfach nur Musik mit deutschem Text (so hat es mich eine Schlager-Ausstellung in Leipzig gelehrt. Dort fand ich neben Stefanie Hertel auch Die Ärzte). Angst macht mir der Inhalt: Darf ich das unter dem Oberbegriff "Kitsch" zusammenfassen? Da wäre mir die historische Auslegung doch lieber gewesen. Aber na ja, wie gesagt ich bin Musikwissenschaftlerin und daher verpflichtet, alles subjektiv zu beurteilen. Meinen eigenen Geschmack muss ich da ertsmal bei Seite schieben. Ich werde mich der Sache nüchtern hingeben, vielleicht verlasse ich das Opernhaus beschwipst ;-)

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  2. Mooo-ment! Du kannst doch nicht einem so schwer definierbaren Begriff wie Schlager den praktisch undefinierbaren Begriff Kitsch an die Seite stellen!

    Da halte ich dagegen!!!

    Beziehungsweise ich leite faul eine alte Mail weiter. Muß ja auch ein paar Vorteile haben, dass mein eMail Konto in einer praktischen Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung seit gut zwei Jahren keine Mails mehr raus scrollen läßt.

    Es gibt nämlich einen Reclam Band mit dem Titel "Kitsch. Texte und Theorien". Den hat seit der letzten Ausmistaktion N. - falls du den mal lesen willst. Und die ganz große These ist eigentlich dass Keiner eine These hat was Kitsch nun ist. Folglich kann ich deinen Kitsch Satz nach eigenem Gutdünken auslegen und dir dialektisch das Wort im Mund verdrehen ;P


    Und ich glaube du wolltest sagen, dass du objektiv an die Sache ran gehen willst ^_~

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  3. Oh nein, ich wollte Schlager und Kitsch nicht miteinander in Verbindung bringen!!! Ich zähle ja selber deutschsprachige Musik zu den Schlagern. Und mal ehrlich: "Die Ärtze" gehören nicht zur Kategorie Kitsch. "Kitsch" (ein undefinierbarer Begriff, wie auch der Schlager) hat nur in einigen Fällen etwas mit Schlagern zu tun. So etwas gibt es aber auch in der Klassik, im Pop,...
    Ich wollte nur sagen, dass der Inhalt - nach deinen Erzählungen - ein wenig (oder viel) in Richtung (!) Kitsch abwandert, ohne sich damit zu vereinigen. Ich warte erstmal ab und dann werde ich sehen, wie man alles beurteilen kann.

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  4. Da ich in den letzten Tagen viel zu oft die Namen Adorno und Horkheimer gelesen habe, bin ich eigentlich versucht dich zu fragen wie etwas Richtung Kitsch tendieren kann, wenn keiner weiß was Kitsch ist, aber wer von uns nun was unter dem Wort versteht können wir irgendwann mal auf einen Kaffee diskutieren.
    (Dialektik kann nerven, oder?)

    Viel wichtiger ist: ich habe endlich einen Hinweis wo ich das Buch zur Kulturinsel herkriege!!! Der Bibliophile in mir stürmt los und wir sehen uns spätestens auf Arbeit ^^

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