Sonntag, 24. Oktober 2010

Anatevka - Teil 2

Irgendwann wird man betriebsblind. Gerade wenn man so wie ich nebenbei noch zig andere Dinge um die Ohren hat.

Daher hier noch ein kleiner Nachtrag auf die berechtigte Frage: und wie ist Anatevka nun?

Alles beginnt mit dem geschlossenen Vorhang und einer riesigen, vor allem roten Scheibe, welche sich langsam heben. Dahinter wir das Bühnenbild sichtbar, welches wie die meisten Kostüme eher in gedämpften Farben gehalten ist, vor allem braun, grau und schwarz. Allein Herr Köhler sticht in reinem Weiß hervor.

Und nachdem Herr Trekel, bzw. Tevje der Milchmann kurz die Ausgangslage dargestellt hat - der Ort Anatevka und sein seit Generationen gleiches Leben -, werden in einem Hochlied auf die Tradition gleich alle wichtigen Personengruppen vorgestellt:
die alten Männer und die jungen, die alten Frauen und die jungen. Und die örtliche "Polizei".

Und Tevje hat es wirklich nicht leicht getroffen: von seinen fünf Töchtern sind bereits drei heiratsfähig. Abgesehen davon, dass die Mitgift kaum groß ausfallen wird, entwickeln alle drei auch einen eigenen Willen. Tevje mag es ja noch verkraften, dass seine erste Tochter statt dem reichen Metzger lieber den armen Schneider heiraten möchte. Das passt bei näherer Betrachtung auch weitaus eher zu seinen persönlichen Sympathien. Aber dass seine zweite sich in einen jungen Studenten verguckt... nicht nur, dass er absolut unkonservative Ideen hat, er bringt sich auch selbst in größte Schwierigkeiten. Für seine Angetraute wird es da natürlich nicht einfacher... Aber die Wahl seiner dritten "schlägt dem Fass den Boden aus". Vor allem in den politisch immer angespannter werdenden Verhältnissen...

(Man will ja auch nicht alles verraten, auch wenn außer mir wahrscheinlich die meisten die Handlung eh kennen.)

Absolute Glanzmomente waren die Kostüme. Was so ein bißchen Bart ausmachen kann ist wirklich verblüffend. Die meisten der männlichen Darsteller erkennt man erst auf den zweiten Blick wieder.
Und wie Tevje seine Frau davon überzeugt, dass er auch seiner zweiten Tochter nach deren Wünschen verloben möchte war... auf jeden Fall... ja, doch, überzeugend.

Und auch wenn es sich hier um eines der aufwändigeren Bühnenbilder handelt, muss ich ehrlich sagen, dass ich immer wieder beeindruckt bin, wie man mit sehr wenigen Mitteln immer wieder eine vollkommen andere Umgebung erzeugen kann.

Ach ja, und ich hatte neulich in der Oper ein erhellendes Gespräch darüber, was an dem Verzicht auf Mikro-Ports nun so grundlegend beeindruckend und richtig ist:
es geht um den Purismus, die gute Vorbereitung der Zuschauer und die Idee sich das Ganze notfalls eben einfach noch mal anzusehen.
Nach dem Vorschlag selbst auf elektrisches Licht zu verzichten und nur noch mit Kerzen zu beleuchten, komme ich mir mit dem Vorschlag einer "historischen" Opernvorstellung mit Gauklern zwischen den Akten nicht mehr gar so seltsam vor. Da gibt es nur zwei Dinge, die das Bild ein wenig trüben: Ich hab das eher mit einem Augenzwinkern gemeint. Kein Mensch würde so etwas inszenieren. Und schon allein mit der Drohung das Publikum wieder mitsingen zu lassen, würde ich mich freiwillig von der Idee abbringen lassen. Und es gibt wohl wirklich Menschen, die diese Kerzenidee umsetzen... Ich versuche immer noch die Wachskosten zu überschlagen, mir die Panik der Brandschutzbeauftragten vorzustellen und die optische Wirkung zu kalkulieren...

Also gut, zusammengefasst: ja, ich bin ein Banause. Ich bereite mich nicht auf so einen Abend vor, lese mir vorher nichts an und möchte wenn ich da bin wirklich was verstehen. Es geht alles in allem auch ohne Mikro-Ports. Nicht immer ganz glatt, aber es funktioniert. Es verschließt sich mir im Grunde immer noch. Aber wenn Puristen und Kenner darauf bestehen, dann jedem das Seine.

Die einzigen zwei Dinge, die im Nachhinein wirklich ein wenig negativ im Gedächtnis geblieben sind, wären zum einen das Programmheft und ein bestimmtes Lied.
Fangen wir mit dem Programmheft an: die historischen Aspekte waren durchaus interessant. Auch die kulturellen Fußnoten waren nett. Aber für ich wären ein paar mehr Informationen über eine jüdische Hochzeit interessant gewesen. Jaja, das kann man sich auch alles zuhause anlesen. Aber wenn ich schon mal da bin, mir so ein Heft hole und die Hochzeit so eine große Rolle in dem Stück spielt, hätte ich mir dafür auch zu der Zeremonie noch ein paar vor Ort Informationen gewünscht. (Warum ist dieser Baldachin so wichtig?)

Und wegen dem Lied... nun, sagen wir einfach: auch wenn ich für Illusionsbrechungen prinzipiell empfänglich bin, möchte ich mir in der Oper keine Gedanken machen, ob mir gleich ein Darsteller auf die Füße tritt. Das ist etwas zu viel Brechung. Für meinen Geschmack.
(Keine Sorge, wer es sieht wird wissen was ich meine und wo ich in etwa gesessen habe. Vielleicht sieht es von weiter Hinten wirklich gut aus, aber... naja.)

So, und jetzt ist mir ausnahmsweise mal was Privates dazwischen gekommen.
Also wird das heute wieder nichts mit Rezensionenschreiben...

Naja, die Eine wollte ich noch online stellen. Geklappt hat es. So mehr oder weniger.
Und an dieser Stelle noch einen guten Start in die Woche an Alle.

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