Irgendwie geht das nie gut, wenn ich mit wie auch immer gearteten Erwartungen ins Theater gehe...
Beim Theatermacher war es so, dass mir ein Freund schon vor Wochen erzählte, das Stück stehe diese Spielzeit in Erlangen auf dem Plan. Er muss interessiert gewesen sein, sonst hätte ich mir das wahrscheinlich nicht gemerkt. Dann habe ich mitbekommen, dass es auch in Köln gespielt wird. Und eben hier in Halle. Mit mit dem sicherlich auch irgendwie richtigen Hintergedanken "Wenn es auf so vielen Spielplänen steht muss es etwas haben...", habe ich mir dann auch eine Karte besorgt.
Um eines vorneweg zu sagen: Samstag war ausverkauft. Ab Viertel vor um waren zusammenhängende Sitzplätze nur noch mit viel Basteln zu haben. Und der Großteil aller Anwesenden war merklich älter als ich. Ich frage mich immer noch, ob das Stück einen bestimmten Ruf hat, von dem ich mal wieder nichts weiß...
Naja, kommen wir erst mal zur Handlung:
Der "große Bruscon" ist samt Familie in Utzbach. Der Ort selbst hat 280 Einwohner. Und vorerst sind diese mit dem Blutwurststopfen beschäftigt, können also wenig Zeit für Bruscon und seine Allüren opfern.
Das ist auch nicht weiter schlimm. Bruscon ist weit genug von sich selbst eingenommen um einen sehr großen Teil des Stückes mit Monologen über Kunst, Anspruch, Anekdoten und Vergleichbarem zu füllen.
Der Rest schaut konsterniert, verwirrt oder resigniert. Und erträgt Bruscon wie eine Naturgewalt...
Wird hier schon langsam ersichtlich, dass ich mit dem Stück nicht so recht etwas anfangen konnte?
Wobei das mal wieder subjektiv ist. Die meisten Anwesenden waren merklich älter als ich und hellauf begeistert. Vielleicht fange ich ab 2030 also auch an das Stück spontan toll zu finden.
Und bis dahin betrachte ich etwas irritiert, was sich da vor meinen Augen abspielte.
Bevor es in die Vollen geht noch eine Kleinigkeit zum Bühnenbild: der Raum in welchem Bruscon auftreten soll, wurde schon eine längere Weile nicht mehr genutzt. Und das ist ein sehr schöner Euphemismus für "schon ewig nicht mehr gekehrt, vollkommen verstaubt und mit Spinnweben überwuchert."
Die Begeisterung auf Seiten der Schauspielerfamilie hält sich entsprechend in Grenzen, zumal Bruscon ausgerechnet hat, dass wahrscheinlich nicht mal die Umkosten herein kommen werden.
Aber selbst das ist nicht die eigentliche Problematik. Das Notlicht! Es muss dringend beim großen Finale ausgeschaltet sein. Sonst würde sich die Komödie in eine Tragödie wandeln...
Und ab hier können wir mal auf das zu sprechen kommen, was mich an diesem Stück wirklich stört:
Wen zur Hölle kümmert so ein Notlicht?
Jaja, da war mal ein Theaterskandal, weil jemand das Notlicht in einem Theaterstück nicht ausschaltete, obwohl der Text es doch vorschrieb.
ABER:
Wen kümmert so ein Blödsinn überhaupt? Sollte es nicht um Inhalte gehen?
Jaja, ich weiß, wer was finden will finde immer auch was. Aber die MZ hat diffus über eine aktuelle Theaterkritik geschrieben. Frei nach dem Motto: für wen spielt man heute und was? Und wie bringt man die Leute dazu zu kommen?
Wie man die 280 Anwohner ins Theater bekommt ist in dem Stück einfach kein Thema. Bruscon ist viel zu sehr damit beschäftigt sein eigenes Ego zu pflegen. Er tyrannisiert seine Kinder, aalt sich in vermeintlichen vergangenen Erfolgen, manipuliert und spielt seine Familie gegeneinander aus, beleidigt aus Prinzip alles und jeden, lobt sich selbst in den Himmel und demonstriert erfolgreich ein fehlendes Verständnis für Pädagogik.
Aber nichts davon wird problematisiert. Es wird einfach gezeigt und Brusco darf sich als Ekel profilieren.
Ich habe gestern wirklich neben einer Dame gestanden, die argumentiert hat, das Stück wäre lustig.
Aber es tut mir leid, das ist es nicht.
Nur weil ein oder zwei der verbalen Entgleisungen wirklich zünden heißt das noch lange nicht, das Stück selbst wäre gut. Es ist größtenteils nicht lustig. Jemand zu meiner Rechten hat in (!) der Vorstellung richtig angemerkt, die Hauptfigur nerve einfach nur.
Um solchen Menschen zuzusehen, brauche ich wie die meisten nicht extra ins Theater zu gehen.
Und wie viele habe ich sehr große Probleme solche Leute auf Dauer ernst zu nehmen.
Freilich, das liefert im Grunde die Definition einer Parodie. Das Problem daran ist nur, das Bruscon wenig über das Publikum sagt, sondern sehr viel über seine Einstellung zum Theater. Aus der Theaterperspektive ist das Stück eine einzige Nabelschau. Und da ich bisher noch nie eine Probe live gesehen habe und auch sonst wenig in den Theatergepflogenheiten drin stecke, kann ich damit nur bedingt etwas anfangen.
Damit wir uns an dieser Stelle nicht falsch verstehen: schauspielerisch war das Stück wirklich gut. So einen Wahnsinnsmonolog muss man sich erst mal merken. Und eine bühnenwirksame Beschäftigung für die zu finden, die selbst kaum etwas zu sagen haben, ist sicherlich auch nicht immer einfach.
Aber es bleibt dabei, dass ich einfach keinen Zugang zu dem Inhalt gefunden habe.
Und wie gesagt, Humor ist relativ.
Die MZ war begeistert. Allein das hätte mich warnen sollen. Sie haben ja mindestens zwei Artikel über das Stück gebracht.
Sei es drum: wer viel sieht wird irgendwann auch mal was sehen, dass einem nicht gefällt.
Vielleicht ändere ich meine Einstellung in den nächsten 20 Jahren noch grundlegend.
Aber bis dahin, bleibe ich bei meiner Meinung...
Und weil ich mir gerade ein wenig Zeit genommen habe:
Rezensionen aus anderen Städten stellen vor allem ein Scheitern des Individuums an seinen eigenen Ansprüche und dem Unverständnis der Umwelt in den Mittelpunkt.
Abgesehen davon, dass ich hier durchaus eine gewissen Ironie spüre und das freilich auch einfach hätte abpinseln können, möchte ich das ganze hier noch einmal kurz auf den Punkt bringen:
Bruscon hat jede Form von Bodenhaftung verloren. Und gerade darum sind seine Ansprüche kaum etwas, mit dem man sich inhaltlich wirklich auseinander zu setzen braucht.
Eines der Beispiele auf der Bühne war sein wiederholtes Beharren, sein Sohn hätte Spinoza lesen müssen, um eine bestimmte Rolle richtig darzustellen.
Da hängen dann aber diverse Probleme dran: kann man den Grundgedanken von Spinoza nicht auch anders vermitteln? Muss der Zuschauer den auch gelesen haben? Und gehen Stücke, die sich sklavisch an einer einzigen Interpretationsmöglichkeit festhalten und sich nur ja nicht auch nur einen Millimeter davon entfernen dürfen, nicht irgendwie an der Theaterrealität vorbei? Sowohl an der Gesamtdeutschen, als auch an der in den einzelnen Theaterhäusern...
Und das hier ist schon wieder viel zu lang geworden.
Vielleicht ist mein Problem mit Bruscon auch nicht nur sein Charakter, sondern auch sein beharren auf einem Theaterideal mit dem ich wenig anfangen kann...
Naja, lassen wir das hier. Genug Menschen hat der Abend gefallen. Nur eben mir nicht.
Soll auch mal vorkommen.
Und vielleicht fällt ja noch jemandem etwas erhellendes ein, dass auch einem Ignoranten wie mir die Augen öffnet... oder so...
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