Sonntag, 6. Februar 2011

Lulu

Die MZ wird es lieben, mit ziemlicher Sicherheit sogar. Alle die ich im Publikum gesehen habe und die irgendwie mit den Bühnen Halle oder den Darstellern zusammen hängen, haben sich fast wahnsinnig geklatscht und gejubelt. Es gab stehende Ovationen, lange Beifall. Jeder an dem ich vorbei gegangen bin schien es geliebt zu haben.

Es muss wirklich gut gewesen sein. Wedekinds Vorlage ist eh über jeden Zweifel erhaben.

Ich stehe sogar hinter diesem "Lulu als Projektionsfläche für jeden der sie geheiratet hat" Ansatz.

Und trotzdem saß ich da und konnte die Begeisterung einfach nicht nachvollziehen. Das hat auch, aber nicht nur, mit der Musik zu tun.

Kommen wir erst mal auf die gelungenen Sachen zu sprechen:
Mein persönlicher Geschmack hin oder her, so lange nicht mehrere Personen gleichzeitig singen (was selten der Fall ist) kommt das Stück eigentlich auch ohne Übertitel aus. Das ist bei der Vorlage durchaus eine Leistung, das begreife sogar ich als Laie.
Auch das Lulu für jeden Mann anders aussieht wurde auch sehr schön gelöst. Nicht nur über den Text, sondern auch darüber, dass die meisten Männer Lulu das gewählte Kostüm selbst anziehen, sie entsprechend behandeln und vor allem entsprechend nennen. (Ich amüsiere mich schon den ganzen Morgen darüber, dass man sie neben Eva auch Mignon genannt hat. Das hatte ich schon wieder ganz vergessen. Und für die Nicht-Germanisten: Goethe - Wilhelm Meisters Lehrjahre. Mignon ist ein anhängliches Naturkind, dass an einer Herzschwäche stirbt, als sie sieht, wie sich ihr Adoptivpapa Wilhelm Meister und eine andere Frau in Liebe küssen. Das ist doch mal ein Frauenbild, dass bei Dr. Schön durchaus tief blicken lässt.)
Und: wandelbares Bühnebild. Vom Atelier bis zum Nachclub kann man aus so einem Käfig alles machen, wenn man nur will.

Leider ist das Bühnebild aber auch eines der Gründe, warum ich einfach nicht in das Stück rein gekommen bin. Ich meine, die Übertitel waren auch eine Ablenkung. Aber das ist ein anderes Thema und wahrscheinlich Übungssache.
Was mich kontinuierlich aus dem Stück heraus geworfen hat, war dieser Käfig. Das Ding ist stabil, es erfüllt seinen Zweck, es ist multi-funktional, es ist eine geniale Idee. Aber eine mit Macken.
Das ist noch nicht mal so sehr die Tatsache, dass die Türen manchmal ein Eigenleben entwickeln und sich ein kleines Stück weit bewegen, obwohl sie das nicht sollen. Sondern die Tatsache, dass die Konstruktion wackelt wie ein Montagsprodukt. Wenn jemand das Bedürfnis hat diesen Käfig herauf zu krackseln, dann ist das ein dramatischer Moment, der nicht gewinnt wenn ich mich frage, ob ich gleich Zeuge werde wie diese Person runter fällt und sich sämtliche Gräten bricht.
Natürlich hat das Ganze gehalten, sonst würde ich hier wahrscheinlich gar nicht darüber schreiben. Aber mich hat das jedes Mal irritiert. Soll es vielleicht auch, wer weiß.

Und drei andere Kleinigkeiten:

Man sollte sich definitiv vorher den Gefallen tun und nachlesen worum es geht. Dank Alban Bergs Verknappungen dürfte man sonst ganz schön auf dem Schlauch stehen. Das Programmheft trifft es sehr gut. Wikipedia tut es auch. Ich persönlich empfehle Wedekind einfach mal selbst zu lesen.
Dr. Schöns Tod sah aus wie frisch aus einem unrealistischen Splatterfilm. Weniger wäre mehr gewesen.
Und: So schön ich persönlich es finde, dass sie auf Jack the Ripper verzichtet haben, den ich schon in der Vorlage ein wenig übertrieben fand: die Abschlußpantomimie war eine recht eigene Interpretation des Stückes.


Natürlich klingt das jetzt viel schlimmer als es eigentlich ist.
Das sind Kleinigkeiten, die wahrscheinlich gar nicht ins Gewicht gefallen wären, wenn ich mit der Musik etwas hätte anfangen können. Das selbe Bühnebild und dazu Hoffmanns Erzählungen und ich wäre wahrscheinlich Feuer und Flamme gewesen. (Nur als Beispiel. Freilich passt das Bühnenbild nur bedingt zu Offenbach, aber von der Sache her...) Abgesehen davon bin ich wirklich überzeugt, dass die MZ das Stück über den grünen Klee loben wird. Und die erreichen ohnehin sehr viel mehr Personen als ich mit meinem kleinen Blog hier.

Wer mit Alban Bergs Musik was anfangen kann, soll hin gehen. Wer es nicht weiß, kann ja bei den einschlägigen Quellen mal nach Hörproben suchen und sich selbst ein Bild machen. Wer Wedekind für ein Genie hält und wenig auf das Medium der Darbietung gibt: der soll hin gehen. Wer einfach nur neugierig ist soll auch hingehen. Wer gestern 3Sat gesehen hat und vergleichen möchte, soll hin gehen. Man verblödet ja nicht daran. Aber ich arbeite zu ungleichmäßigen Teilen daran, meine Ohren zu entknoten und nachzuvollziehen warum die gestern Alle gejubelt haben wie die Irren...

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