Dienstag, 8. März 2011

Clockwork Orange

So, das ist jetzt glaube ich der Dritte Anlauf, das hier ins Netz zu stellen. Also sehen wir mal zu wie weit wir dieses Mal kommen.

Eine Kleinigkeit vorneweg: Ich habe zuerst das Nachwort gelesen, dann die erste Hälfte des Buches, dann das Theaterstück gesehen, dann die zweite Hälfte des Buches gelesen, dann kam der Film und momentan läuft der Audiokommentar der DVD.
So oder so, das ist die zweite Bildungslücke die ich dieses Jahr geschlossen habe.

Kommen wir nun also zum Theaterstück:
Das Ganze beginnt mit einem sehr zusammengekürzten Text von David Foster Wallace. (Der Text ist so gut, dass man ihn auf Englisch oder auf Deutsch auch mal komplett gelesen haben kann.) Weiter geht es mit Hier kommt Alex, das bekannte Lied von den Toten Hosen.

Und nun geht es wirklich los. Also ich gehe mal kurz davon aus, dass die Meisten wissen um was es geht: ein krimineller Jugendlicher wird schon wieder erwischt, landet im Gefängnis und wird "Gebessert", mit vorher nicht absehbaren Folgen.
Und es ist tatsächlich so, dass die Kostüme im Thalia meinen persönlichen Gedanken beim Lesen weitaus näher kommen als der Film. Und, das möchte ich schon mal vorweg schicken: wer den Stoff noch gar nicht kennt, der kann das hier durchaus mal gesehen haben. Ich persönlich würde vor allem das Buch empfehlen, aber konzentrieren wir uns mal auf das Theater Stück... und... es tut mir leid, aber ich kann das nicht höflicher formulieren:
die Inszenierung funktioniert für mich nicht.
Das beginnt mit Nadsat. Dabei handelt es sich um eine Jugendsprache mit starken Russischen Einflüssen. Der Programmzettel gibt eine Liste mit den wichtigsten Begriffen, aber bitte, wer lernt eine Viertelstunde vor einem Theaterstück noch eine Vokabelliste auswendig? Und wir reden hier schon von zwei oder drei Dutzend Worten.
Im Buch funktioniert es irgendwie, über Kontextbezüge, auf der Bühne hatte es fast nur noch was mit Raten zu tun. Das funktioniert auch, irgendwie, aber offen gestanden funktioniert es eher schlecht.

Und dann... ich glaube das nennt sich Pacing. Nagelt mich da nicht drauf fest, aber das war es, was mich in der zweiten Hälfte raus warf, sogar schon bevor ich wusste dass das Buch viel mehr Tiefe bietet.
Ich bin ziemlich genau bei der chemischen Behandlung ausgestiegen. Ich weiß nicht ob es daran lag, dass die "Filme", die Alex sich ansehen musste, als reine Allegorien angelegt waren. Natürlich habe ich verstanden was er da gesehen hat, aber gemessen an der Auswahl waren dass die harmlosesten Bilder, die man aussuchen konnte. (Da wäre es vielleicht wirkungsvoller gewesen, es den Zuschauern selbst zu überlassen, sich Bilder dazu auszumalen.) Oder, was wahrscheinlicher ist, es hat mit Burgess Fokus auf die Musik zu tun und der Tatsache, dass das hier am Rande abgehandelt wird und trotzdem kommt man immer wieder darauf zurück, ohne dass es wirklich eine Bedeutung erlangt.
Dann kam die "ich bin wieder zuhause" Szene, und ich glaube da war es für mich endgültig vorbei. Im Buch wird die Szene dadurch ruiniert, dass Alex aus dem Stand wie eine Figur von Shakespeare reden kann, die aus Versehens Nadsat einstreut, und das wirklich in erster Linie für den theatralischen Effekt. Das macht es allgemein schwer, seinen Gefühlsausbruch ernst zu nehmen. Aber wenn man dann auch da sitzt, die Mutter wird von einem Mann gespielt und der starke Mitbewohner von einer scheinbar verstörten Frau. Das mag eine brillante Idee sein, ist aber in einer Szene die höchstens zwei Minuten dauert wirklich schwer zu verkaufen.
Dann wurde so viel heraus geschnitten, dass Alex am Ende nur einer einzigen Person gegenüber tritt, und zwar dem Schriftsteller. Hier wurde meiner Meinung nach wirklich Potential vergeben. Wenn ein Haufen Rentner einen Jugendlichen zusammen schlagen, weil der sich nicht wehren kann, dann ist das genauso verstörend wie umgekehrt. Genauso wie staatliche Gewalt an Wehrlosen etwas sehr Verstörendes hat. Aber beides musste aus Zeitgründen weichen.
Statt dessen hat man dem Schriftsteller lieber noch ein paar nach Revolution klingende Worte in den Mund gelegt. Was dabei vollkommen untergegangen ist, ist die Tatsache, dass der Mann einen wirklich schweren Schlag verwinden musste. Aber wenn ein Darsteller, der aussieht wie ein verloren gegangenes Familienmitglied der Adams Family, schreit "wenn er das war dann bringe ich ihn um" und dabei gleichzeitig von seinen Gesinnungsgenossen von der Bühne geschleift wird... dann ist das im Grunde einfach eine Farce. Dass ist das gute Recht dieser Figur so zu fühlen, ich glaub es ihr nur nicht.
Und statt dem Thema ein oder zwei Facetten mehr zu geben, wird Alex am Ende als ein in Selbstbetrachtung versunkener Guttenberg gezeigt. Ich bin auch kein Fan dieses Mannes, aber Guttenberg ist - zumindest meines Wissens nach - kein Mörder. Ich kriege wirklich nicht mehr viel aus den Nachrichten mit, aber das wäre mir wahrscheinlich aufgefallen.

Unterm Strich bleibt zu sagen, dass es eine sehr gute Vorlage ist, die irgendwo in der Mitte ernsthaft Schaden erleidet, handzahm wird und irgendwie vor sich hin eiert, in der Hoffnung trotzdem zu funktionieren.
Ich habe das Publikum gesehen. Die Meisten waren begeistert. Das bin am Ende nur ich, mal wieder in viel zu mäkliger Stimmung. Und im Notfall kann man es immer noch auf mein persönliches Thalia Trauma schieben und sagen, ich sei da eh nicht vorbehaltlos.

Und auch wenn ich meine privaten Vorbehalte habe, war ich trotz oder eher gerade wegen der Kritik der MZ wirklich versucht, fair zu sein, es wirklich zu mögen, weniger mäkelig zu klingen... aber wenn das Grusseligste und gleichzeitig das Berührendste des Abends der letzte Monolog ist, der auf gar keinen Fall aus dem Clockwork Orange stammt (und der sich bisher auch über Google nicht hat finden lassen), der von einem Nebendarsteller gesprochen wird und mich auch Tage danach - im Gegensatz zum Stück - weiterhin beschäftigt... Dann wäre vielleicht am Ende eine Lesung eines anderen Textes sinnvoller gewesen...
Am Ende bleibt für mich wirklich die handzahme Umsetzung eines wirklich genialen Stoffes, die mit einigen Längen trotzdem noch funktioniert, aber einfach auf dem Weg viel zu viel eingebüßt hat.

(Tschuldigung, ich wollte es wirklich mögen. Gerade wo das Buch so unglaublich genial ist und mich der Audiokommentar der DVD immerhin noch bis Nachts um eins wach gehalten hat - aber etwas besseres kann ich darüber nicht sagen, ohne über meinen eigenen Eindruck zu lügen. Aber die Vorstellungen bisher waren voll, sucht euch wen den ihr kennt und der schon drin war und fragt da nach. Der Geschmack von Leuten die man persönlich kennt ist ohnehin immer viel besser abschätzbar als der eines komplett Fremden. - Was so ziemlich das einzige ist, was ich zur Rettung des Rufes vorbringen kann.)

2 Kommentare:

  1. sehr amüsante kritik :)

    aber ich hätte jetzt eigentlich doch schon mal ganz gern gewusst, worum es eigentlich geht? UND ist denn der film wenigstens empfehlenswert?

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  2. seit wann bist du kurz vor acht schon wach? o.O

    Und dann schauen wir mal ob es hier eine Zeichenbegrenzung für Kommentare gibt, wenn ja kriegst du das per Mail. ^_~

    Inhalt:
    Ein Jugendlicher ist Kriminell und vertreibt sich mit ein paar Freunden die Abende mit Gewalt, Drogen, Einbrüchen und Vergewaltigungen. Nach Meinungsverschiedenheiten wird er von seinen "Droogs" verraten und landet wegen Mord im Gefängnis. Und dort kommt er wieder heraus, als er sich freiwillig für ein Verfahren meldet, dass ihn zu einem besseren Menschen machen soll: jedes Mal wenn er etwas gewalttätiges denkt wird ihm unsagbar übel. Das schränk einen dann doch irgendwie ein.
    Und es sorgt erst mal dafür, dass sich alle und jeder an ihm rächen, jetzt wo er wehrlos ist.

    Im Grunde sollte seine Heilung ein Politikum darstellen. Statt dessen wird sein Selbstmordversuch instrumentalisiert... so dass man am Ende wieder da ankommt wo man angefangen hatte...

    Und ob man den Film empfehlen kann, diskutierst du am besten mal mit D. Ich fand ihn interessant, aber ob das deinen Geschmack trifft kann er dir sicher eher sagen.

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